Neue „Vanity Fair“-Chefredakteurin: Niveau halten und Geld verdienen
Von der „New York Times“ zum Promiklatsch: Rhadika Jones' Karriere mag überraschen. Aber das US-Magazin macht auch Politik.
Vor zwei Monaten gab Graydon Carter bekannt, dass er vom Posten des Chefredakteurs der Vanity Fair zurücktritt. 25 Jahre hat der 68-Jährige das Magazin erfolgreich geführt. Aufmerksamkeit erregte er zuletzt für seine Auseinandersetzungen mit Donald Trump. Er bezeichnete ihn als „short-fingered vulgarian“ und begleitete seine Wahl mit kritisch-analytischen Hintergrundartikeln.
Am vergangenen Montag wurde bekannt, dass die 44-jährige Rhadika Jones künftig an der Spitze der Vanity Fair stehen wird. Eine Position, die die New York Times als eine der „meist begehrtesten“ und „prestigeträchtigsten“ der Medienbranche bezeichnet. Zuletzt leitete Jones das Literaturressort der New York Times und war jahrelang Redakteurin des Time Magazine. Aus deutscher Sicht scheint es überraschend, dass jemand aus so einer Position zu einem Klatsch-und-Tratsch-Magazin wechselt. Doch die deutsche Ausgabe verleiht einen falschen Eindruck. Sie hatte mit dem US-amerikanischen Magazin nicht viel gemein – außer dem Titel.
Unter der Leitung von Ulf Poschardt erschien 2007 die erste Vanity Fair in Deutschland. Es sollte ein intellektuelles wöchentliches Magazin über Kultur, Politik und People sein. Es wurde eine Mischung aus Gala und dem Stern. Mit Knut, dem Eisbären, auf dem Cover, Interviews mit Prominenten und Geschenketipps. Kritik zog das Magazin auf sich, als sie ein Interview mit Horst Mahler veröffentlichte, in dem er den Holocaust leugnete. Nach zwei Jahren wurde die Vanity Fair Deutschland eingestellt.
Auch die US-amerikanische Vanity Fair setzt ihren Schwerpunkt auf Promi-Berichterstattung, wie einst dem ersten Interview mit Jennifer Aniston nach deren Trennung von Brad Pitt. Doch die Mischung, Geschichten aus Hollywood, politischen Reportagen und Gesellschaftsanalysen, ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Die Vanity Fair sorgt immer wieder für internationale Schlagzeilen – mit Caitlyn Jenner auf dem Cover oder der Veröffentlichung der Identität des Watergate-Informanten Deep Throat.
Doch obwohl das Magazin hohes Ansehen genießt und die renommiertesten Magazinjournalisten für das Blatt schreiben, bekommt auch die Vanity Fair die Printkrise zu spüren. Kürzlich musste ihr Verlag Condé Nast die Printversion der Teen Vogue einstellen und 80 weitere Stellen kürzen. Harvard-Absolventin Jones muss also das Niveau und gleichzeitig den Unterhaltungswert hochhalten – und das Ganze soll sich am Ende auch noch rechnen. Gibt leichtere Jobs.
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