Neue Untersuchung zu Insektensterben: Glühwürmchen in Gefahr
In England gibt es immer weniger der leuchtenden Käfer. Auch in Deutschland ist der Schwund hoch. Schuld sind vor allem Pestizide.
In Südengland hat eine neue Langzeitstudie der Londoner Royal Entomological Society festgestellt, dass zwischen 2001 bis 2018 ein jährlicher Rückgang von 3,5 Prozent gezählt wurde – insgesamt sind das annähernd 75 Prozent weniger in 18 Jahren.
Als Gründe für diesen Schwund nennt die Studie vor allem das wärmere und trockenere Klima. Ein leitender Wissenschaftler der Studie, Tim Gardiner, bezeichnete den Anblick von Glühwürmchen als „magisch“ und fragte: „Wäre es nicht traurig, wenn es diese Lebewesen nicht mehr gäbe?“
Das findet auch Werner Schulze, Sprecher des Bundesfachausschusses für Entomologie des Naturschutzbunds (NABU). Er sieht die Schuld für das Verschwinden der Insekten aber vor allem am flächendeckenden Einsatz von Pestiziden. Der Rückgang an Beobachtungen der Insekten sei so deutlich, da ihr Lebensraum schwinde.
75 Prozent weniger Insekten
Schulze ist sicher, dass auch die Glühwürmchen in Deutschland vom allgemeinen Insektenschwund betroffen sind. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sollte der Klimawandel in Mitteleuropa eigentlich zu einer Zunahme nicht nur an Insektenarten, aber auch an ihrer Biomasse führen. Während die Artenzunahme zu beobachten ist, zeigte die grundlegende Krefelder Studie 2017 aber, dass die Masse in Deutschland im Zeitraum zwischen 1989 und 2015 um über 75 Prozent zurückgegangen war.
Dem flächendeckenden Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln wird dabei eine besondere Rolle zugeschrieben. Schulze bezeichnete die „generelle Auswirkung von Pestiziden“ als „dramatisch“, ebenso wie den allgemeinen Insektenschwund.
Um das Insektensterben abzumildern, müssten sowohl Abläufe in der Landwirtschaft als auch in der Gesellschaft verändert werden. Allerdings merkt er auch an, dass Landwirte besser bezahlt werden und Lebensmittel mehr kosten müssten, um mehr nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen.
Während es weltweit über 2.000 Arten von Glühwürmchen gibt, sind es in Mitteleuropa nur 3, die sich vor allem durch ihre Größe unterscheiden. In Deutschland können sie nur im Juni und Juli beobachtet werden. Generell können nur die männlichen Käfer fliegen. Das Leuchten der Glühwürmchen wird durch einen chemischen Prozess im Unterleib verursacht und dient nach bisherigen Erkenntnissen vor allem der Partnersuche.
Der große Leuchtkäfer sowie der Kurzflügel-Leuchtkäfer sind in Deutschland nur wenig verbreitet, bei ihnen könnten keine genauen Angaben zu einem Rückgang gemacht werden, sagt Schulze. Bei dem am häufigsten vorkommenden kleinen Leuchtkäfer sind laut dem Insektenkundler die Verbreitungsräume besonders durch Land- und Forstwirtschaft sowie durch Lichtverschmutzung zurückgegangen. An vielen Orten sei er verschwunden. Noch zu beobachten sei er bevorzugt auf Wiesen und in Gebüschen, aber vor allem an Waldrändern und Feuchtgebieten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr