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Neue Studie zu HochhausplänenGleisdreieck könnte Park bleiben

2005 schloss der Senat einen Deal: Grundstücke für den Gleisdreieckpark gegen Baurecht für Hochhäuser. Laut einem Gutachten war das nicht rechtens.

So schlimm wird es hoffentlich nicht kommen Foto: Urbane Mitte

Berlin taz | Es sind Pläne wie aus der Zeit gefallen. Direkt am Gleisdreieckpark, auf einem schmalen Streifen nördlich und südlich des U-Bahnhofs Gleisdreieck, sollen 7 Hochhäuser entstehen, bis zu 90 Meter hoch, gedacht ausschließlich für Büro- und Gewerbenutzung. Kein Wunder, denn das Vorhaben der „Urbanen Mitte“ stammt aus dem Jahr 2005, als in Berlin noch hunderttausende Wohnungen leerstanden und Investoren jeder Wunsch bereitwillig erfüllt wurde.

Genauso lange schon arbeitet sich die Bürgerinitiative Aktionsgemeinschaft Gleis­dreieck an den Bebauungsplänen ab. Sie fürchtet die Zerstörung und Verschattung des Parks, mehr Verkehr und Kommerz und die Aushebelung von Klimaschutz. Mit der Vorstellung eines von der Initiative in Zusammenarbeit mit den Naturfreunden Berlin in Auftrag gegebenen Gutachtens am Donnerstag scheint nun ein Durchbruch gelungen. Demnach ist eine Neuplanung des Gebiets für Bezirk und Land möglich – ohne Schadensersatzansprüche des Investors befürchten zu müssen.

Mit Hinweis auf einen drohenden Regress waren die Pläne in den vergangenen Jahren vorangetrieben worden, auch gegen den Willen vieler Entscheidungsträger im Bezirk. Im Raum stehen 100 Millionen Euro Strafe, sollte der luxemburgische Investor kein Planungsrecht für die Bürotürme erhalten. Diese Summe hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage in den Raum geworfen.

Vom Bezirksamt und den Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wurde dies als Begrenzung ihrer Handlungs- und Planungsfreiheit zähneknirschend akzeptiert. Dabei habe sich das Bezirksamt, wie es auf Anfrage der taz sagt, „mehrfach kritisch zu den geplanten Baumassen geäußert“. Die Planungen, zumindest für die ersten beiden Häuser im Gebiet Urbane Mitte Süd, stehen inzwischen kurz vor ihrem Abschluss. Eine Einbringung des Bebauungsplans in die BVV ist für nächste Woche, die Verabschiedung durch das Bezirksparlament für das zweite Quartal nächsten Jahren anvisiert.

Städtebaulicher Rahmenvertrag

Grundlage der Annahme, dass dem Investor die Ermöglichung seiner Bauvorhaben zusteht, ist ein städtebaulicher Rahmenvertrag, den die frühere Grundstückseigentümerin Vivico, die das Gelände einst für einen Spottpreis erwarb, vor 18 Jahren mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg abgeschlossen hatte. Im Tausch dafür, dass der Bezirk Flächen für den Park ankaufen konnte, sollte Vivico Baurecht für 119.000 Quadratmeter Gewerbeflächen erhalten, andernfalls drohe Schadensersatz.

Doch laut einem 26-seitigen Gutachten des Anwalts für Bau- und Planungsrecht, Philipp Schulte, ist der Vertrag nichtig. „Der Rahmenvertrag stellt eine unzulässige Vorabbindung“ für die Par­la­men­ta­rie­r:in­nen dar und ist daher „unwirksam“, so Schulte. „Ein Entschädigungsanspruch für enttäuschte Spekulationsgewinne besteht nicht.“

Schon in Paragraf 1 des Baugesetzbuches sei geregelt, dass „kein Anspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen“ bestehe. Dies wurde 2005 in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Rechtlich zulässig seien einzig Regelungen in städtebaulichen Verträgen, die festhalten, was nach dem Beschluss eines B-Plans geschehen soll.

Wenn Vorabsprachen die Entscheidungen der BVV 18 Jahre später binden würden, „könnte man sich das parlamentarische Verfahren auch sparen“, so Schulte weiter. Ebenso nichtig wäre dann die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung, die im aktuellen Verfahren von hunderten An­woh­ne­r:in­nen genutzt wurde, um den Plänen zu widersprechen.

Schulte übte scharfe Kritik an der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die all das wissen müsste, schließlich handele es sich um keinen versteckten Rechtsgrundsatz. Ihr Beharren auf dem Vertrag sei „skandalös“. Im Ergebnis sei das bisherige Verfahren „gescheitert“, da es auf der falschen Grundannahme basierte. Es war „von Anfang an mit diesem Fehler infiziert“, so Schulte.

Viele Stimmen für einen Neuanfang

Matthias Bauer von der AG Gleisdreieck forderte in der Konsequenz „einen Neustart der Planungen“. Im Bezirk stößt er damit auf offene Ohren. Das Bezirksamt kündigte an, „die vorgebrachten Argumente einer rechtlichen Analyse“ zu unterziehen. Die Grünen forderten, „das Projekt auf sozioökologische Kriterien zu prüfen und belastbare Nachweise für den Bedarf nach weiteren Büroräumen vorzulegen“. Für sie ist klar: „Das Bauprojekt ist nicht zeitgemäß.“

Unterstützung kam aus dem Abgeordnetenhaus von den Grünen-Stadt­ent­wick­lungs­po­li­ti­ke­r:in­nen Katrin Schmidberger und Julian Schwarze: „Wir sehen in solchen intransparenten Verträgen die Gefahr, dass Parlamente über Bebauungspläne nicht mehr frei entscheiden können“, heißt es in einer Mitteilung. „Das ist mit der Gewaltenteilung nicht vereinbar, erleichtert Immobilienspekulation und sorgt oft dafür, dass am Bedarf der Bevölkerung vorbei gebaut wird.“ Der Senat sei aufgefordert, „zukünftig auf solcherlei Vertragskonstruktionen zu verzichten“.

Kritik am Senat kam auch von der Linken-BVV-Abgeordneten Gaby Gottwald: Dieser habe einen „wurstigen Umgang mit den städtebaulichen Bedenken des Bezirks“ gezeigt. Nun aber stehe fest: „Die BVV ist kein Vollstreckungsorgan für Bodenspekulation, sondern in ihrer Planungshoheit frei.“ Aus der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus hieß es: „Die Hochhäuser im Park am Gleisdreieck braucht kein Mensch. Diese Pläne sprechen die Sprache des Ausverkaufs der Stadt und müssen weg.“

Die Bürgerinitiative sieht sich gerüstet für den weiteren Kampf. Sollten Bezirk oder der Senat, der das Vorhaben an sich ziehen könnte, einen B-Plan beschließen, werde man diesen beklagen. Geld dafür ist bereits gesammelt.

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3 Kommentare

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  • Sollte der Vertrag nichtig sein, müssten die im Tausch überlassenen Grundstücke wieder herausgegeben werden und die Investorin könnte diese anderweitig nutzen.

    Sollte ein Gericht anders als im Gutachten dargestellt auf einen Schadenersatz entscheiden, hätte der Bezirk den Schaden.

    Daher wäre ein Mittelweg gangbar, die Initiative und die Kanzlei verpflichten sich, einen etwaigen Schadenersatz des Bezirks zu übernehmen, wenn und soweit ein Gericht anders als die Gutachter entscheiden sollten. Dann gäbe es wirklich kein Schadensrisiko für den Steuerzahler. Natürlich müssten in diesem Fall auch entsprechende Sicherheiten hinterlegt werden. Dann könnte der Park Park bleiben.

    • @DiMa:

      Was für ein groteskes Rechtsverständnis.

      • @Pflasterstrand:

        Und an welcher Stelle sollte das Verständnis grotesk sein? Ein nichtiger Vertrag wird halt rückabgewickelt. Der Eigentümer eines Grundstückes kann es nutzen.

        Und der abschließende Vorschlag soll halt den Steuerzahler vor Schaden schützen. Wenn Initiative und Gutachter von ihrer Meinung überzeugt sind, dann haben sie ja nichts zu befürchten .