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Neue Studie zu FettleibigkeitJeder dritte Mensch ist zu dick

Trotz aktuellem Hype um vegane Ernährung und Fitness-Lifestyle: Seit 1980 hat sich der Anteil fettleibiger Menschen in mehr als 70 Ländern verdoppelt.

New York City, 1994: Schon damals war Übergewicht in der US-Großstadt ein Problem. Seitdem hat sich das Phänomen der Fettleibigkeit über den Globus verbreitet Foto: reuters

Berlin taz | Das Sprossen-Vollkornbrötchen nach der Yogastunde scheint im Trend zu sein. Ein Döner zur neusten Netflix-Serie klingt jedoch auch verlockend. Nein: verlockender. Verhaltensmuster wie diese sorgen dafür, dass die Fettleibigkeit besonders unter Kindern rasant steigt. Weltweit ist bereits fast jeder dritte Mensch übergewichtig, hat also einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 25. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Studie im New England Journal of Medicine hervor.

„Übermäßiges Körpergewicht ist eines der schwierigsten Gesundheitsprobleme der Gegenwart“, sagt Erstautor Ashkan Af­shin vom Institute for Health Metrics and Evaluation. So starben laut der Studie 2015 etwa vier Millionen Menschen an den Folgen ihres sehr hohen Gewichts, hauptsächlich aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Besonders schlimm sei dabei Fettleibigkeit bei Kindern, sagt Frank Jakobus Rühli vom Institut für Evolutionäre Medizin an der Universität Zürich der taz. 2015 waren der Studie zufolge weltweit 108 Millionen Kinder fettleibig, hatten also einen BMI von mindestens 30. „Die rasant ansteigende Fettleibigkeit in Ländern wie China und Indien hat mit der Umstellung auf einen westlichen Lifestyle zu tun“, sagt Rühli.

Der Umschwung zu ungesünderem Essen hängt laut Rühli mit der Globalisierung zusammen: „Gewisse Fertigprodukte sind heute billiger, als wenn man selbst etwas zubereitet.“ Vor allem arme Leute gäben immer weniger für Ernährung aus, da sie sich die Kalorien günstig holen könnten.

Arme Leute können sich Kalorien immer billiger holen

Frank Jakobus Rühli

Dies sieht die Deutsche Adipositas Gesellschaft DAG ähnlich. „Wir leben in einer übergewichtsfördernden Umwelt mit zu fettem, zu süßem, zu salzigem Convenience-Food“, sagt Pressesprecherin Stefanie Gerlach. „Der Trend zur veganen Ernährung ist kein Konzept für die breite Masse, sondern eher attraktiv für Menschen höherer Einkommens- und Bildungsschichten.“

Deshalb müsse die Politik Rahmenbedingungen für eine gesündere Ernährung für alle schaffen. Gerlach fordert unter anderem eine Steuer auf die billigen Nährstoffe Fett und Zucker. Die Nichtregierungsorganisation foodwatch will eine Abgabe für Getränkehersteller, wie es sie in Großbritannien ab nächstem Jahr geben wird. „Ab einem bestimmten Zuckergehalt sollen Coca-Cola und Co Abgaben leisten, die beispielsweise in gesundes Schulessen investiert werden“, sagt Oliver Huizinga, Experte für Übergewichtsprävention.

Huizinga will zudem Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel schützen: „Die unmündigen Verbraucher werden gezielt zu Profitzwecken manipuliert“, sagt er.

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9 Kommentare

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  • Das größte Problem an unserer Ernährung ist, dass dem Menschen oft einfach die Zeit genommen wird gut für ihre Familien zu kochen und zum anderen haben viele Menschen nicht das Einkommen um sich dauerhaft mit teuren Naturprodukten zu ernähren.



    Auch wenn von den Veganern immer wieder bestritten wird, dass Leute aus der Unterschicht zu wenig Geld haben sich mit Naturprodukten zu ernähren.



    Ich musste am eigenen Leib feststellen, dass es bei einem größeren Einkommensverlust nicht mehr möglich ist z.B. Obst und Gemüse in ausreichender Menge für einen 2 Personen Haushalt zu erwerben, ohne starke Abstriche am Rest des Lebensnotwendigen zu erleiden!







    Worüber sich alle aufregen sollten, ist die Unverschämtheit mit der die Nahrungsmittelindustrie Fette und vor allem Zucker einsetzt. Es sind Berichte aufgetaucht, in denen die Industrie ganz unspektakulär erklärt, das Zucker und Fett gesund sei, und damit an der Fettleibigkeit nicht schuld sein können.



    Mit Zucker schafft die Industrie eine Abhängigkeit des Verbrauchers zu ihren Produkten, denn Zucker wirkt im Gehirn wie Drogen, in dem er das Belohnungsareal des Gehirns anspricht, und z.B. die Belohnungshormone freisetzt.



    Im Prinzip verhält sich die Industrie wie ein Großdealer, der eine immer verkleckernde Droge für das Volk anbietet.



    Verboten gehören vor allem diese angeblichen Zero - Zucker und Fettreduzierten Produkte, denn die belügen den Verbraucher auch noch Schamlos.



    Die einzige Chance dagegen zu Gewinnen, wäre Entscheidungen der Politik gegen diese Volksverführer.



    Aber das wissen die Lobbyisten bestens zu verhindern, siehe die Ernährungsampel!!!

     

     

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    Die Moderation

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @urbuerger:

      "Ich musste am eigenen Leib feststellen, dass es bei einem größeren Einkommensverlust nicht mehr möglich ist z.B. Obst und Gemüse in ausreichender Menge für einen 2 Personen Haushalt zu erwerben, ohne starke Abstriche am Rest des Lebensnotwendigen zu erleiden!"

       

      Ich frage mich, ob wir in demselben Land leben? Ich nehme jetzt mal den Online-Shop von REWE, nicht gerade der billigste unter den Supermärkten. Da kostet ein kg Möhren 1,29, ein kg tiefgefrorener Blattspinat 1,95, ein halbes kg grüne Linsen 1,89, ein kg Elsta Äpfel 1,99 oder ein kg Frühkartoffeln 1,33. Und das geht alles noch billiger, wenn Sie etwa "zum Türken" gehen.

       

      Wer saisonal isst und sich auf saisonales heimisches Grundnahrungsmittel verlässt, kann von den 5 EUR am Tag, die der olle Sarrazin mal aufgebracht hat, zwar nicht fürstlich leben, aber verdammt gesund satt werden. Wer hier das immer wieder zu hörende falsche Lamento anstimmt, natürliche Lebensmittel (Naturprodukte) seien zu teuer, der hat offenbar noch nicht verstanden, was das ist.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Ist ja nicht unrichtig, was sie dort Schreiben, aber wie lagere ich diese Mengen an Lebensmitteln, ohne dass mir die Hälfte oder mehr in einem Zwei - Personen Haushalt verrottet? Kleinere Mengen als Großgebinde sind viel teurer! Sollen wir uns denen anschließen, die alles Wegschmeißen?

    • @urbuerger:

      Aber Grundnahrungsmittel wie Mehl, Haferflocken, Milch, Eier etc. kosten fast nichts! Das ist doch gerade das, was die Bauern ununterbrochen beklagen. Zwiebeln, Äpfel, Kohl kosten sicher auch nicht viel. Klar, Weintrauben und Avocados werden bei geringem Einkommen zu Delikatessen. Mit der Zeit stimme ich Ihnen aber zu. Essen kochen (Alltagsküche) dauert pro Mahlzeit ca. 45 min. Zeit, die viele nicht haben oder sich nicht nehmen wollen.

  • Es nützt nichts, das Geld aus Abgaben in "gesundes" Schulessen zu investieren. Die Kinder werden es wegschmeißen und Chips kaufen. Es geht nur über Aufklärung und Bildung. Das wird dauern, aber mit der Zeit erkennen dann doch die Massen, dass die Zeit des Hungers vorbei ist. Außerdem wiedersprechen sich die Ernährungsempfehlungen, was die Mengen an Kohlenhydraten und Eiweiß angeht.

  • Im Artikel werden zwei Mythen über vegane Ernährung verbreitet. Dem sei gegenüber gestellt:

    1. Vegane Ernährung ist nicht teuer. Teure Supermärkte wie Veganz sowie manche Marken und Produkte mögen diesen Eindruck wecken. Diese braucht es aber nicht, um sich lecker, gesund vegan zu ernähren. Tatsächlich können sich auch Menschen mit geringem Einkommen Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide usw. leisten und sich somit gesund vegan ernähren.

    2. Auch wenn vegane Ernährung nicht jene Nachteile aus omnivorer Ernährung mit sich bringt, da sie nun mal keine tierliche Proteine enthält, so ist sie dennoch nicht unbedingt gesünder. Das Menü Pommes Frites mit Ketchup nebst einer Cola wäre zum Beispiel vegan jedoch nicht gesund. Die Auswahl der Lebensmittel nach u.a. geringem Grad der Verarbeitung und hoher Vielfalt macht gesunde Ernährung aus.

  • Man kann sich sicherlich in europ. Hipstervierteln vernünftig ernähren, aber doch nicht in Mexiko City oder Baltimore. Und auch für Hipster wird es schwieriger, denn wo "Bio" und "Ohne Geschmacksverstärker" draufsteht, ist längst überall Hefeextrakt drin. Das muss noch nicht mal deklariert werden.

  • Wir leben in einer übergewichtsfördernden Umwelt mit zu fettem, zu süßem, zu salzigem Convenience-Food.

     

    Genau so ist es und ich möchte ergänzen, dass unsere Lebensmittel überwiegend hoch 'raffiniert', also durch Produktionsprozesse so stark verändert sind, dass sie verdaut eine unnatürlich hohe Kalorienausbeute verursachen.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    In den 70er Jahren gab es an den Bahnhöfen u.a. Bier-Automaten, heute gibt es Automaten mit zuckrigen Softdrinks und Snacks. Die Bahnhöfe selbst sind voller Verkaufsstellen pappiger Brötchen und Baguettes, die fast immer mit Butter, Käse, Wurst, Schnitzel, Fisch usw. belegt sind.

     

    Es hat ferner weniger etwas mit Globalisierung zu tun, dass immer mehr Fertigzeugs gegessen wird, als mit Konzernen, die Scheiße zu Gold machen, indem sie ihre Produkte den Menschen als Nahrung anpreisen und massiv für sie werben.

     

    Zudem ist es vollkommen abwegig, dass pflanzliche Ernährung kein Konzept für die Masse sei, weil sie etwa teurer wäre. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wenn man diese Form der Ernährung im öffentlichen Raum massiv fördern, Junk Food generell aus diesem oder in Junk-Food-Corners ab 18 verbannen sowie sämtliche Werbung für "Essens-PRODUKTE" verbieten würde, ergäbe dies ein hübsches und tragfähiges Konzept. Und wenn da die Bildung der Massen fehlt, muss man diesen halt auf die Sprünge helfen (von wegen Krankenkassen mit ihren Wischiwaschiempfehlungen, die niemanden zur Änderung seines Lebensstils bewegen).

     

    Man bräuchte bei einer solchen Umgestaltung auch keine Rücksicht auf die Industrie zu nehmen, die immer ihren Reibach macht (man sieht es an Rügenwalder und jener New Yorker Molkerei, die jetzt pflanzliche Milch herstellt: https://www.riseofthevegan.com/blog/dairy-company-ditches-cow-milk-and-switches-to-plant-milk).

     

    Wer hier mauert, ist nicht die Industrie, sondern vor allem all die Schlechtesser in den Reihen der gesellschaftlichen Entscheider, die sich lieber 'ne Currywurst reinpfeifen als 'nen gesunden Salat.

     

    Wir haben es beim Veggie-Day gesehen, wie die Presse ein vernünftiges Thema schlachtet. Solange die Menschen gerne Müll (Junk) essen und nicht zur Vernunft kommen wollen, geht halt alles seinen Gang: ohne Bevormundung ist kein Ende in Sicht, sondern bloß verschärftes Lamento über zunehmende Zivilisationskrankheiten.