Neue Strategie für Agrarpolitik: Einkommen der Bauern für EU-Kommission wichtiger als Umwelt
Künftig will sich die EU-Kommission noch stärker um die Einkünfte der Landwirte kümmern. Die Natur ist in ihrer neuen Agrarstrategie nur zweitrangig.
Die EU-Kommission will mit den milliardenschweren Agrarsubventionen künftig wieder stärker die Einkommen der Landwirte stützen – und nicht so sehr die Umwelt. Das ist die Tendenz eines Grundsatzdokuments mit dem Titel „Eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung“, das die Brüsseler Behörde am Mittwoch veröffentlicht hat. Es soll die Richtung vorgeben insbesondere für die ab 2028 geplante Neuverteilung der Subventionen. Die Kommission will dazu bald Gesetze vorschlagen [wird ja immer schlimmer; d. säzzer]. Die Strategie ist ausdrücklich auch eine Antwort auf die Bauernproteste vor einem Jahr.
Die EU gibt von 2021 bis 2027 insgesamt 31 Prozent ihres Haushalts für die Agrarpolitik aus: 378,5 Milliarden Euro. Die Landwirtschaft produziert die meisten der in der EU verbrauchten Lebensmittel, verursacht aber laut EU-Rechnungshof auch insgesamt 13 Prozent der Treibhausgasemissionen. Die Landwirtschaft ist zudem maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.
Doch diese Schäden stehen anders als in früheren Grundsatzdokumenten der Kommission wie der „Farm to Fork“-Strategie und dem „Green Deal“ nicht mehr im Vordergrund. Das Wort „Natur“ taucht im Inhaltsverzeichnis erst im hinteren Teil in einem Untertitel auf. Stattdessen lautet jetzt der Fokus im Hinblick auf die Landwirte: „Wiederbelebung der Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung der Attraktivität dieses Berufes“. Die Kommission begründet das damit, dass Bauern immer noch „deutlich“ unterdurchschnittlich viel verdienen würden. Allerdings ist die Aussagekraft solcher Statistiken umstritten, weil sie oft nicht Einkünfte etwa aus Photovoltaikanlagen, Tourismus oder anderen Tätigkeiten der Betriebsinhaber berücksichtigen.
Weiter Geld pro Hektar
Damit Landwirtschaft auch für künftige Generationen attraktiv ist, setzt die Kommission weiter auf die Direktzahlungen, also die wichtigste und pro Hektar berechnete Subventionsart. Das Geld sollen die Bauern mit weniger bürokratischem Aufwand erhalten. Es müsse weniger „Bedingungen“ und mehr „Anreize“ geben. Eine stärkere Umverteilung der Subventionen von großen zu kleineren Betrieben soll nur „erwogen werden“.
Statt von den Bauern mehr Umweltschutz für die Staatshilfe zu verlangen, will die Kommission nun die Zulassung von „Biopestiziden“ beschleunigen, die ihren Herstellern zufolge ökologischer sind. Die Mitgliedstaaten sollen solche Stoffe sogar schon dann vorläufig erlauben, wenn die Risikoprüfung noch läuft.
Immerhin will die Kommission künftig grundsätzlich verhindern, dass die gefährlichsten Pestizide, die die EU aus Gesundheits- und Umweltgründen verboten hat, etwa in Obstimporten, doch wieder nach Europa kommen. Nicht toleriert werden sollten „Praktiken, bei denen die Landwirte systematisch gezwungen werden, unter den Kosten zu verkaufen“.
Kritik von Umweltschützern, Lob von Bauernverbänden
Umweltverbände und die Grünen kritisierten die Mitteilung der EU-Kommission. „Es gibt kein klares Bekenntnis, die Agrarförderungen zu deckeln und somit die kleinen und mittleren Betriebe ins Zentrum der EU-Agrarpolitik zu stellen. Auch die Umwelt- und Klimamaßnahmen im Agrarbereich bleiben vage“, erklärten die Grünen im Europa-Parlament.
Die großen Bauernverbände und die Europäische Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören, begrüßten die Strategie dagegen. „Im Mittelpunkt der Vision stehen klar anreizbasierte, freiwillige Leistungen. Das macht Mut und stimmt zuversichtlich, dass die neue EU-Kommission auf eine Politik im Sinne der Bauernfamilien setzt“, lobte der Deutsche Bauernverband.
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