Neue Staffel „Kleo“ auf Netflix: „Tatort“-Ästhetik
Die zweite Staffel der Netflix Serie „Kleo“ ist da. Mit der ersten kann sie aber nicht mithalten: zu schwerfällig, zu ernsthaft, zu pädagogisierend.
Sind Gefühle im Spiel, geht es selten gut aus. Die alte Weisheit aus Agententhrillern wird in der zweiten Staffel der Netflix-Serie Kleo leider sträflich missachtet. Dabei hatte es in der ersten Staffel so gut geklappt.
Großartig gespielt von Jella Haase war die ehemalige Stasi-Killerin auf Rachefeldzug einer der Streaming-Hits 2022. Endlich wieder mal war es einer deutschen Serie gelungen, nicht schwerfällig, sondern rasant, nicht klemmig, sondern freizügig zu sein und mal nicht nach irgendeiner tieferen Wahrheit hinter dem Bösen zu suchen, sondern alles grotesk zu überzeichnen.
Obwohl es um DDR, Stasi, also graue Vorzeit ging, sah nichts scheiße, sondern außerordentlich gut aus: Kleos Arbeitsdress-Kombi aus Jogginghose und Blazer, die Unterhemden der alten Stasis und die bis ins Detail knallig ausstaffierten Drehorte von der legendären Westberliner Disco Big Eden bis zum spießigen Wohnhaus von Kleos Stasi-Opa Otto.
Zusammen mit vielen schlagfertigen Dialogen und der tarantinoesken Erzählweise hatte die Action-Parodie alles, was gute Unterhaltung ausmacht. Dass die historische Kulisse nur als bunte Tapete ernst genommen wurde und nicht als faktischer Hintergrund, machte den Reiz der ersten Staffel aus.
Kleos autistische Seite pädagogisch entschärft
Doch für die 2. Staffel entschieden sich die Macher*innen leider dafür, ernsthafter zu werden und lassen Kleo sagen: „Ich will verstehen, warum ich bin wie ich bin.“ Was eine Ansatz für eine rasante Action-Komödie werden könnte, gerät leider in großen Teilen so langatmig wie die Sitzung eines Psychologen, der dabei helfen soll, zu verstehen, wer man ist.
Statt der Figur Kleo ihre autistische Seite zu lassen, wird sie nun pädagogisch entschärft. Die Suche nach ihrer Vergangenheit wird im Wesentlichen über Träume von ihrer Kindheit erzählt. Und das in der gleichen langweiligen Machart wie sie aus Dutzenden ARD-„Tatorten“ bekannt ist: Ästhetik: historischen Nebelschleier übers Bild, Personal: Familie unterm Weihnachtsbaum, Handlung: irgendwas mit Gewalt, dazu weit aufgerissene Kinderaugen.
Nichts davon ist aber so überzeichnet, dass es als Parodie ankommt. Auch die vielen Momente, in denen Gefühle (verhinderte Liebe, unerwiderte Liebe, unerkannte Liebe) eine Rolle spielen, sollen wohl Parodien auf TV-Soaps wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sein, wirken aber nur überflüssig.
Historisches nur als Dekomaterial
Leider haben die Macher*innen auch den tollpatschigen Sven, von Dimitrij Schaad wie die gutaussehende und charmante Version von Louis de Funès gespielt, pädagogisiert. Ständig muss er Kleo davor warnen, Leute umzubringen und sie darauf hinweisen, dass Kommunikation wichtig ist. Das könnte zwar sogar lustig sein, aber bedauerlicherweise gehen selbst gute komische Momente in der zweiten Kleo-Staffel im allgemeinen Blödelbrei auf.
Erschwerend kommt hinzu, dass Kleo ausgerechnet nach Belgrad fährt, um dort herauszufinden, was mit ihrem Vater passiert ist. Wir sehen viel Tito-Konterfeis, hören viel jugoslawischen Rock und Pop – aber dass Honecker Tito „Faschist“ nannte, dass nur eine Handvoll lungenkranker Kinder die einzigen DDR-Bürger waren, die in Titos blockfreies, sozialistische Jugoslawien fahren durften, weil Tito seit dem Bruch mit Stalin in der DDR als Verräter galt – wird in Kleo nicht erwähnt.
Sicher, Kleo nimmt Historisches nur als Dekomaterial ernst. Gleichzeitig aber wird in der zweiten Staffel zigmal Politkitsch als Botschaft unter die Nase gerieben, dass es heldenhaft ist, sich nicht von Ideologien vereinnahmen zu lassen und alleine und unabhängig Entscheidungen zu treffen. Hätten die Macher*innen ihre Jugoslawien-Episode historisch ernster genommen, wäre für ihre Botschaft – Blockfreiheit ist geiler, käuflich sind trotzdem alle – mehr drin gewesen.
Jella Haases Talent verblasst
Leider verblasst auch das Talent von Jella Haase in der zweiten Staffel. Sobald Kleo mehr als ihre knapp-coolen Einwort-Antworten gibt und mehrere Sätze hintereinander sprechen muss, spricht Kleo mehr wie Jella Haase als wie Kleo. Für Fans von Jella Haase privat geht das sicher okay. Schauspielerisch aber wirkt selbst Kleos einst so erfrischend selbstbewusste Mimik weniger frisch als abgedroschen.
Das einzige durch und durch stabile Highlight ist und bleibt Thilo. Kleos verstrahlter Mitbewohner, von Julius Feldmeier überragend gespielt, verkörpert mit seiner hippiesk bedröhnten Weltsicht, seiner herzensguten Naivität und in seiner grandiosen Überzeichnung die Typen der frühen Technozeit. Es wäre einfach gewesen, auch Thilo unter die Räder zu werfen und ihn als gescheiterten Drogenzombie abzustempeln. Das nicht gemacht zu haben, macht noch Hoffnung auf die nächste Staffel. Hier aber sollte Thilo endlich zur Haupt- und Kleo zur Nebenfigur werden.
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