Leichnam von Ex-Staatschef Jugoslawiens: Zwist um Titos Grabstätte
Der Ex-Bürgermeister der serbischen Hauptstadt Belgrad will Titos Leichnam nach Kroatien überführen. Jetzt hat sich auch Sarajevo eingeschaltet.
Den derzeitigen Aufreger hat der bis Oktober 2023 amtierende Ex-Bürgermeister Belgrads Alexandar Šapić verursacht. Der Vizevorsitzende der weit rechts stehenden serbischen Fortschrittspartei SNS forderte Anfang der Woche, den Leichnam des ehemaligen jugoslawischen Staatsführers nach Kumrovec, der kroatischen Geburtsstadt Titos, zu überführen. Für serbische Nationalisten ist der gegen die Nazis siegreiche Partisan und Kroate Tito ein Feind Serbiens.
An die Stelle seines Grabes in der Gedenkstätte im Belgrader Nobelviertel Dedinje sollte der serbische Nationalist und Milizenführer im Zweiten Weltkrieg Draža Mihailović treten. Das wünscht sich jedenfalls der Ex-Bürgermeister. Er möchte das Gelände für „große serbische Gestalten“ zur Verfügung stellen und den ungeliebten Tito vom Sockel stoßen.
Geehrt werden sollten nationale Helden, die Serbien schon im Ersten Weltkrieg verteidigten und nicht wie Tito damals in der österreichisch-ungarischen Armee gedient hatten. Dass der so gelobte Draža Mihailović als Kommandeur der ultranationalistischen Tschetniks im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaborierte und deshalb 1946 in Sarajevo zum Tode verurteilt wurde, ficht ihn nicht an. Der gegen die Nazis siegreiche Tito dagegen, dem es gelungen ist, Serben, Kroaten, Slowenen, Bosnier und Albaner in der Partisanenarmee zu vereinen und nicht nur die Wehrmacht, sondern auch die Ideologie des Nationalsozialismus zu bekämpfen, ist für ihn ein Feind.
Sarajevo schaltet sich mit Angeboten ein
Richtig scharf wurde die Diskussion allerdings erst, als sich Sarajevo einschaltete. Denn seit Jahren versuchen serbische Nationalisten die Stadt als finsteren Ort des Islamismus zu diffamieren. Der Präsident der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, spricht meistens von „Türken“, anstatt den offiziellen Namen „Bosniaken“ für die muslimische Mehrheitsbevölkerung in Bosnien zu verwenden. Dodik, der eigentlich aus einer Partisanenfamilie stammt und sich zu einem nationalistischen Scharfmacher gewandelt hat, will von Antifaschismus nichts wissen.
Sarajevo sei eine offene Stadt, erklärt dagegen Bürgermeisterin Benjamina Karić: „Tito kann auch zu uns nach Sarajevo kommen.“ Und der Chef des Kantons Sarajevo, Nihad Uk, betont: „Tito wird hier willkommen sein, wir sind eine freie und antifaschistische Stadt, die stolz ist auf das Vermächtnis der Partisanen.“ Beide Repräsentanten erinnerten daran, dass die Hauptstraße Sarajevos nach wie vor Titova heißt, also Tito-Boulevard.
Unvergessen ist in Sarajevo, dass Tito und die Partisanen mit der bosnischen Verfassung von 1943 einen Staat geschaffen hatten, in dem alle Bewohner, ganz gleich welcher Religion und Herkunft, gleichberechtigte Bürger sind. Der Antifaschismus in Sarajevo sei begründet und bei Weitem kein leeres Versprechen. „Wir sind stolz auch auf den antifaschistischen Widerstand im letzten Krieg, das ist Sarajevo“, heißt es.
In Kroatien und im Geburtsort Titos, Kumrovec, das an der slowenischen Grenze nordöstlich Zagrebs liegt, hat man zwiespältige Gefühle. Einerseits will man den berühmten Sohn der Region ehren, doch mit Kommunismus kann man heute offenbar nichts mehr anfangen. Titos Elternhaus ist zu einem bescheidenen Museum umgebaut worden. Besucher erkennen gleich: Tito ist trotz seiner fleißigen Eltern in Armut aufgewachsen. Einer Umfrage zufolge sprachen sich aber bereits 67 Prozent der Bewohner für die Rückkehr Titos nach Kumrovec aus.
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