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Neue Sanktionen gegen RusslandZu wenig, zu spät

Dominic Johnson

Kommentar von

Dominic Johnson

Das 19. EU-Sanktionspaket gegen Russland ist kein Ausweis von Effektivität, sondern Ausdruck des kleinsten gemeinsamen Nenners der 27 EU-Mitglieder.

Und die ganze Fackel brennt Foto: Fabian Sommer/dpa

W ie beendet man einen Angriffskrieg? Klar: Man kauft dem Angreifer ab 2027 kein Flüssiggas mehr ab. Das 19. EU-Sanktionspaket gegen Russland ist, wie alle seine Vorgänger, kein Ausweis von Effektivität, sondern Ausdruck des kleinsten gemeinsamen Nenners der 27 EU-Mitglieder. Immerhin: Dieser gemeinsame Nenner wächst. Aber langsam: Erst im Sommer beschloss die EU überhaupt einen Importstopp für russische Ölprodukte. Der gemeinsame Nenner der EU ist zu wenig, zu spät.

Das gilt auch für die neuen US-Sanktionen gegen die russischen Ölgiganten Rosneft und Lukoil – ein US-Replikat neuer britischer Sanktionen von vor einer Woche. Immerhin: Es sind Trumps erste neue Russland-Sanktionen. Aber natürlich ist ein Verbot, mit diesen Firmen Geschäfte zu treiben, an sich wirkungslos. Um zu greifen, müssten diese Sanktionen weitere nach sich ziehen, gegen Rosnefts und Lukoils Geschäftspartner. Etwa gegen die Betreiber der Raffinerien in China, Indien und der Türkei, die das russische Öl verarbeiten. Oder gegen die russische Schattenflotte, die das Öl transportiert und von der EU und Großbritannien, nicht aber von den USA mit Sanktionen belegt ist.

Und sobald das Öl formal nicht mehr von Rosneft und Lukoil verkauft wird, sondern von irgendwelchen Briefkastenfirmen, sind die Sanktionen ausgetrickst. Russland hat längst eine globalisierte Schattenwirtschaft aufgebaut und spielt erfolgreich mit den zunehmenden antiwestlichen Ressentiments im „Globalen Süden“, um seine Form der transnationalen organisierten Kriminalität als emanzipatorische Tätigkeit zu verkaufen.

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Putins Kriegswirtschaft wird aktuell am effektivsten nicht durch Sanktionsbeschlüsse aus Brüssel, London und Washington in Bedrängnis gebracht, sondern durch Drohnenangriffe aus der Ukraine, die immer mehr Raffineriekapazität in Russland ausschalten. Das Kalkül in Kyjiw: Wenn Russland mehr Geld in die Reparatur bombardierter Ölanlagen stecken muss, als es durch das Unterlaufen der Ölsanktionen am Ölexport verdient, hat Moskau ein finanzielles Problem, und zwar noch vor dem nächsten Sanktionspaket. Russland reagiert darauf mit Raketenterror gegen die ukrainische Bevölkerung, was westliche Länder zwar unterbinden könnten, aber nicht tun.

Wie beendet man einen Angriffskrieg? Eigentlich wissen es alle. Man muss Russlands militärische Angriffskapazitäten militärisch ausschalten, dann ist Ruhe. Aber politisch ist so etwas nicht durchzusetzen, denn keine Regierung einer westlichen Militärmacht hat den öffentlichen Rückhalt dafür, militärische Risiken einzugehen. Die tragen die Ukrainer. Allein.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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