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Neue Sanktionen gegen BelarusEU-Luftraum dicht

Die EU-Staaten antworten auf die erzwungene Landung eines Flugzeugs in Minsk. Sie einigen sich auf Flug- und Landeverbot gegen belarussische Airlines.

Fliegen verboten: der EU-Luftraum als No-go-Area für Flugzeuge aus Belarus Foto: Christian Ohde/imago

Brüssel afp | Nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugzeugs in Minsk und der Festnahme eines bekannten Oppositionellen erwartet Belarus weitreichende Konsequenzen: Die EU-Staats- und Regierungschefs brachten am Montagabend neue Sanktionen gegen das autoritär regierte Land auf den Weg. Sie vereinbarten die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus Belarus sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen und riefen Airlines aus der EU auf, den belarussischen Luftraum zu meiden. Die Fluggesellschaften Lufthansa, SAS und AirBaltic kündigten an, Belarus nicht mehr zu überfliegen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, den Druck auf die Regierung in Minsk bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten. In der EU stehe schon seit Längerem ein drei Milliarden Euro schweres Investitions- und Wirtschaftspaket für das Land bereit, sagte sie weiter. Dieses bleibe aber „solange eingefroren (…), bis Weißrussland demokratisch wird“.

„Wir tolerieren keine Versuche, russisches Roulette mit dem Leben unschuldiger Zivilisten zu spielen“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel im Anschluss an die Gipfelberatungen in der Nacht zum Dienstag. Die Staats- und Regierungschefs hätten „zusätzliche Sanktionen gegen Einzelpersonen beschlossen, die an dieser Entführung beteiligt waren“, sagte von der Leyen. Auch Unternehmen, „die dieses Regime finanzieren“, sollten sanktioniert werden können.

Die Fluggesellschaften Lufthansa, SAS und AirBaltic kündigten an, Belarus künftig nicht mehr zu überfliegen. Litauen, wohin die Ryanair-Maschine am Sonntag unterwegs war, verbietet bereits ab Dienstag alle Starts und Landungen von Maschinen, die über belarussischen Luftraum fliegen.

Ukraine ordnet Stopp von Direktflügen nach Belarus an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ordnete einen Stopp von Direktflügen von und nach Belarus an. Ukrainische Flugzeuge würden zudem nicht mehr durch belarussischen Luftraum fliegen, teilte die Präsidentschaft in Kiew mit. Das Verbot betrifft vor allem Reisen zwischen der Ukraine und Russland, bei denen viele Passagiere einen Zwischenstopp in Minsk einlegen, weil es seit 2015 keine Direktverbindungen mehr gibt.

Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung und mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der in Polen und Litauen im Exil lebende Oppositionelle Roman Protasewitsch und seine aus Russland stammende Freundin festgenommen.

Der EU-Gipfel verurteilte das Vorgehen „auf das Schärfste“ und verlangte die „sofortige Freilassung“ von Protasewitsch und seiner Partnerin Sofia Sapega. Die internationale Zivilluftfahrtorganiation ICAO riefen die Staats- und Regierungschefs auf, „diesen beispiellosen und inakzeptablen Vorfall dringend zu untersuchen“. Die ICAO hat für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung einberufen.

Belarus hatte die erzwungene Landung mit einer Bombendrohung gegen das Flugzeug durch die radikalislamische Hamas begründet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte diese Erklärung „vollkommen unglaubwürdig“. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach nach den Gipfelbeschlüssen von einer „einmütigen und klaren Antwort (…) auf das inakzeptable Vorgehen der Führung von Belarus“.

Auf Vorwurf stehen bis zu 15 Jahre Haft

Die Festnahme Protasewitschs haben die belarussischen Behörden mittlerweile bestätigt. Das Staatsfernsehen veröffentlichte am Montag ein Video, in dem der Journalist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gesteht. „Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben“, sagt der 26-Jährige in der Aufnahme.

Protasewitsch war früher Chefredakteur des oppositionellen Telegram-Nachrichtenkanals Nexta. Über Nexta waren nach der von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden. Protasewitsch wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen.

Wegen der Geschehnisse rund um die Präsidentenwahl und des massiven Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten sind bereits EU-Sanktionen gegen rund 90 Verantwortliche in Belarus in Kraft, auch gegen den autoritär regierenden Lukaschenko. Im Dezember wurden auch Sanktionen gegen sieben staatsnahe Unternehmen verhängt. Ein weiteres Sanktionspaket gegen rund 40 weitere Belarussen war bereits für Juni geplant.

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7 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Na endlich bewegt sich mal was.



    Ob das reicht?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Sanktionen der Europäische Union

    1,.... Belarussische Fluggesellschaften sollen künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen dürfen und auch nicht mehr auf Flughäfen der EU starten und landen dürfen.

    2.. Die Liste mit Personen und Unternehmen soll erweitert werden, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten.

    3.. Bei ihrem EU-Sondergipfel haben die Staats- und Regierungschefs am Montagabend auch über ihr Verhältnis zu Großbritannien beraten und eine "strategische Debatte" über Russland geführt.

    Dabei wurde scharfe Kritik an der Regierung in Moskau geübt. Der Europäische Rat verurteile "die illegalen, provokativen und disruptiven russischen Aktivitäten gegen die EU, ihre Mitgliedstaaten und darüber hinaus", heißt es in der Erklärung.

  • "Chefredakteur des oppositionellen Telegram-Nachrichtenkanals Nexta"

    Ich hoffe, daran erinnern wir uns, wenn sich das nächste Mal "gute Progressive" an der Moralpanik über Telegram-Nachrichtenkanäle beteiligen, staatliche Backdoors mit "wir haben ja nichts zu verbergen" verharmlosen und tatsächlich den Schund glauben, es ginge um die Kontrolle der radikalen Rechten. Die werden immer als Legitimation vorgeschoben, um den Schutz für alle aufzulösen, und die Konsequenz ist meistens, dass die Rechten trotzdem unbehelligt bleiben und die neuen Überwachungswerkzeuge dann ganz woanders eingesetzt werden...

  • „Belarus hatte die erzwungene Landung mit einer Bombendrohung gegen das Flugzeug durch die radikalislamische Hamas begründet“



    Besonders interessant finde ich, dass die Hamas dieses inzwischen dementiert hat. Also mag nicht mal diese Terrororganisation mit dem Diktator Lukaschenko in Verbindung gebracht werden!



    Immerhin: Hätte sich die Hamas dazu bekannt, egal ob zu Recht oder nicht, könnte sie künftig in ihrer Propaganda behaupten, dass sie nicht nur alle Teile Israels, sondern auch der EU (Griechenland, Litauen) erreichen kann!

  • 2013 gab's ja schon mal den Fall, dass ein Land ein Flugzeug zur Landung gezwungen hat, weil vermutet wurde dass ein Dissident an Bord sei der verhaftet werden sollte:



    taz.de/Eklat-auf-W...lughafen/!5064006/

    Ich hoffe dass der Westen dieses Mal genauso hart auf diese Ungeheuerlichkeit reagiert wird wie damals und Belarus keine Sonderstellung eingeräumt wird!

    • @Bernd Berndner:

      Irgendwann muss man anfangen, diesen Aktionen etwas entgegenzusetzen. Jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt dafür.

      • @Luftfahrer:

        Rechtsexperten haben damals festgestellt, dass jedes Land in seinem Luftraum agieren kann wie es will. Bei Verdacht auf Explosivstoffe dürfen Flugzeuge zur Landung gezwungen werden. Sprengstoff an Bord war die offizielle Begründung von Belarus - also abgedeckt.

        www.spiegel.de/pol...echt-a-909246.html

        So sehr ich mir ein Ende unsere Doppelmoral wünsche: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die europäischen Regierungen heute bei der Jagd auf den "Terroristen" Edward Snowden anders agieren würden, oder gar Sanktionen gegen die eigenen Mitgliedsländer verhängen würden.