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Neue SPD-Spitze in Schleswig-HolsteinBahn frei für Kämpfer

Schleswig-Holsteins SPD-Chefin Serpil Midyatli tritt nach Niederlage bei der Urwahl zurück. Spitzenkandidat Ulf Kämpfer soll auch die Partei führen.

Neue und alte Spitze der SPD im Norden: Ulf Kämpfer und Serpil Midyatli nach der Urwahl am Wochenende Foto: Markus Scholz/dpa

Beben bei der SPD Schleswig-Holstein: Nach dem deutlichen Sieg von Ulf Kämpfer bei der Urwahl zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahlkampf 2027 kündigte Serpil Midyatli am Montagabend ihren Rückzug als Landesparteichefin an. Kann Kämpfer die Nord-SPD aus der Krise führen?

„Wir werden Serpil vermissen“, sagte Juso-Landesvorsitzender Jannis Schatte. Midyatli, die erste Frau an der Spitze der Landespartei, habe in allen politischen Fragen stets eine stabile Haltung eingenommen und sei einem klaren linken Kompass gefolgt. Sie hinterlasse große Fußspuren.

Doch nicht alle Ge­nos­s:in­nen sehen die gebürtige Kielerin so positiv. Midyatli sitzt seit 2009 im Landtag, seit 2019 führt sie die Landespartei und gehört auch dem Bundesvorstand an. In ihre Verantwortung fallen schwere Wahlniederlagen auf Landes- und Bundesebene. Umstritten war auch ihre Entscheidung, mit dem bei der eigenen Partei und in der Bevölkerung eher unbekannten Thomas Losse-Müller in die Landtagswahl 2022 zu ziehen.

Wir werden Serpil vermissen

Jannis Schatte, Juso-Landesvorsitzender

Nun fragte Midyatli die Basis, wessen Name auf den Plakaten bei der kommenden Landtagswahl im Frühjahr 2027 stehen soll – und die Antwort fiel klar aus: Bei der Urwahl stimmten nur 20 Prozent für die heutige Landesvorsitzende, Kämpfer siegte deutlich mit knapp 80 Prozent. Direkt nach der Auszählung der Stimmen am Wochenende hatte Midyatli die Frage nach ihrer eigenen Zukunft noch offen gelassen. Am späten Montagabend verkündete sie dann ihren Rückzug von der Parteispitze. Bei einem Parteitag im Februar 2026 soll die Nachfolge bestimmt werden.

Wie soll man gegen Daniel Günther gewinnen?

„Ich bin stolz, Spitzenkandidat zu sein, und ich bin bereit, auch die Verantwortung als Landesvorsitzender zu übernehmen“, sagte Ulf Kämpfer in einem gemeinsamen Statement mit Midyatli. Mit ihr, die weiter die Landtagsfraktion leitet, will er ein „Super-Team“ bilden. „Zusammen sind wir unschlagbar – wir beide und wir als SPD in Schleswig-Holstein“, so Kämpfer.

Doch es ist fraglich, wie gut die Partei bei der Wahl ihre Basis mobilisieren kann – und ob der Schwung der jetzigen Nominierung die Strecke bis 2027 trägt. An der Urwahl beteiligte sich nur rund die Hälfte der landesweit knapp 14.000 Parteimitglieder. Das Hauptproblem ist aber, dass die SPD auch bei der nächsten Landtagswahl 2027 gegen Daniel Günther antreten muss.

Der CDU-Landeschef schneidet bei Umfragen gut ab, er gilt als beliebtester Ministerpräsident Deutschlands. Dass er wieder antritt, ist ausgemacht: „Wir denken nicht nur in dieser Periode, sondern haben den Anspruch, Schleswig-Holstein auch darüber hinaus zu regieren“, hatte er vor einigen Tagen gesagt, als er zwei neue, jüngere Ministerinnen seines Kabinetts vorstellte.

Aber auch Kämpfer hat bereits gezeigt, dass er Wahlen gewinnen kann. Seit 2014 ist er Oberbürgermeister von Kiel. Die Landeshauptstadt gilt als SPD-Hochburg, doch bei Landes- und Bundestagswahlen gab es auch dort schwere Einbußen.

Rot-grüne Ehe

Nun will der 53-Jährige mit dem Slogan „Kämpfer für alle“ in den Wahlkampf um das ganze Land ziehen. Dabei ist der gebürtige Eutiner trotz des kriegerischen Namens in seinem Politikstil eher auf Ausgleich bedacht – schließlich ist der promovierte Jurist unter anderem ausgebildeter Mediator.

Ich bin stolz, Spitzenkandidat zu sein, und ich bin bereit, auch die Verantwortung als Landesvorsitzender zu übernehmen.Ulf Kämpfer, SPD-Spitzenkandidat und designierter Landeschef

Vor allem aber hat er viel Erfahrungen in Politik und Verwaltung gesammelt. Nach seinem Studium in Göttingen und Galway in Irland arbeitete er im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, später im Justizministerium. Nach einer Zeit als Familienrichter wurde der Sozialdemokrat Staatssekretär im Umweltministerium. Als Oberbürgermeister gehört er dem Präsidium des Deutschen Städtetages an und ist seit 2019 stellvertretender Präsident. Er gehörte zu den Unterzeichnern des Brandbriefs, in dem Landeshauptstädte auf ihre schwierige finanzielle Lage hinwiesen.

Kämpfer, der sich mit Jogging und Radfahren fit hält, ist mit der Grünen-Landesvorsitzenden Anke Erdmann verheiratet. Das Paar hat einen Sohn und lebt in einem Genossenschaftsprojekt in Kiel.

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1 Kommentar

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  • Das ist mal potenzielle Koalition im eigenen Hause.







    Günther wäre u.a. wohl der weitaus bessere Kanzler gewesen, außer aus Sicht der aktuellen Honoratiorenschicht der Union. U.a. hat er Optionen auch mit Grün und Links, was zeigt, dass er strategisch denkt und keine Mitdemokraten aus Angst angeht.



    Günther in Bonn, dann hätte Kämpfer eher eine Chance. Doch wenn Merz so weiter macht und die CDU noch einen Überlebensinstinkt oder Blick aufs Ergebnis für die Vielen hat (ich zweifle), wechselt sie Günther ohnehin bald ein.