Neue Regierung in Frankreich: Mehr rechts als links
Macron behält bekannte Gesichter in den Schlüsselministerien. Die Überraschung: Ex-Justizministerin Rachida Dati wird Kulturministerin.
Erst kurz vor 20 Uhr am Donnerstagabend wurde dann, wie es die Tradition vorschreibt und als offizielle Bestätigung, vom Generalsekretär der Präsidentschaft vor einem Mikrofon im Hof des Élysée-Palasts die Liste von 11 Minister*innen und 3 Vizeministerinnen verlesen.
Macrons Überraschungscoup dabei ist zweifellos die Ernennung von Nicolas Sarkozys ehemaliger Justizministerin Rachida Dati als Kulturministerin. Sie war Mitglied der konservativen Oppositionspartei Les Républicains (LR) und Bürgermeisterin des 7. Arrondissements von Paris.
Vor allem aber ist sie die Erzrivalin der sozialistischen Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo, deren Amt sie bei den nächsten Kommunalwahlen 2026 erobern will. Und vielleicht mit größeren Chancen als Kandidatin der Macronisten als der Konservativen von LR, die Dati umgehend als Überläuferin ausgeschlossen haben.
Korruptionsverdacht und Familienbande
Erstaunlich ist Datis Nominierung eventuell auch, weil die Justiz gegen sie wegen Korruptionsverdacht ermittelt, da sie vom Renault-Autokonzern unter suspekten Umständen mehr als 900.000 Euro bezogen haben soll. Kein Thema mehr ist ihre ohne mildernde Umstände abgesetzte Vorgängerin Rima Abdul-Malak. Die hatte sich erdreistet, sich öffentlich vom Schauspieler Gérard Depardieu, der sexueller Aggressionen beschuldigt wird und mit obszönen Äußerungen schockiert hat, zu distanzieren und seinen Ausschluss aus der Ehrenlegion zu verlangen. Das ließ ihr der erklärte Depardieu-Fan Macron nicht durchgehen.
Auch andere Regierungsmitglieder wie der bisherige Verkehrsminister Clément Beaune, der lange als enger Vertrauter der Präsidenten galt, haben ihren Posten verloren, weil sie sich kritisch zum Vorgehen der Regierung in der Debatte über die Immigrationsgesetze geäußert hatten. Vielleicht kann der eine oder die andere, die am Donnerstagabend nicht als Minister bestätigt wurden, aber nicht ganz in Ungnade gefallen sind, auf einen Trostpreis bei der Ernennung der Staatssekretäre Anfang kommender Woche hoffen.
Mehr Anlass zu Klatsch als zu politischen Kommentaren wird zweifellos die Ernennung von Stéphane Séjourné als Außen- und Europaminister geben. Der bisherige EU-Parlamentsabgeordnete der Macron-Partei Renaissance, der eigentlich deren Spitzenkandidat der Liste bei den Wahlen im Frühling sein sollte, ist seit 2017 der Lebenspartner von Premierminister Attal.
Kontinuität bei Schlüsselministerien
Was bei der Regierungsumbildung in Frankreich zunächst auffällt, ist die Kontinuität in den Schlüsselministerien: Gérald Darmanin bleibt Innenminister, Bruno Le Maire Wirtschafts- und Finanzminister, Sébastien Lecornu Verteidigungsminister, Eric Dupond-Moretti behält die Justiz, Marc Fesneau die Landwirtschaft, Christophe Béchu ist weiterhin Minister der Umwelt und Energiewende und Sylvie Retailleau nochmals Hochschul- und Forschungsministerin.
Macron geht mit der Bestätigung der bisherigen Mitglieder in der Regierung seines neuen Premierministers, des jüngsten in der französischen Geschichte seit 1830, das Risiko ein, dass die Medien nun spotten, diese sehe doch ein wenig alt oder zumindest altbekannt aus für ein Team, von dem er sich eine Erneuerung erhofft. Doch vielleicht war es seine Priorität, andere und größere Risiken zu vermeiden. Er geht auf Nummer sicher.
Neu und anders
Zwei Bisherige werden befördert: Die bisherige Sportministerin Amélie Coudéra-Castéra, die maßgeblich für die Organisation der Olympischen Spiele im Sommer zuständig ist, wird zusätzlich Erziehungsministerin. Und die vormalige Staatssekretärin Prisca Thévenot wird als Vizeministerin für „demokratische Erneuerung“ die neue Regierungssprecherin.
Neu im Kabinett ist schließlich eine ehemalige Ministerin aus der Zeit von Präsident Jacques Chirac: Catherine Vautrin erhält mit der Zuständigkeit für Arbeit, Gesundheit und Solidarität (Soziales) ein Superministerium. Zusammen mit der Ernennung von Dati trägt das dazu bei, dass diese Regierung „nach rechts gleitet“, schreibt beispielsweise die Wirtschaftszeitung Les Echos. Und einige Spezialisten der politischen Szene wollen darin den Einfluss von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ausmachen, der Macron in den letzten Wochen mehrfach zu Unterredungen besucht habe.
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