Neue Reformschule gegründet: Der Staatsschule Angst machen
Sie gründete ein preisgekrönte Schule. Nun will die pensionierte Rektorin Enja Riegel noch mehr erreichen: In Wiesbaden eröffnet sie ihre Traumschule - eine Kampfansage an den Staat.
![](https://taz.de/picture/382321/14/helene-lange-gesamtschule.jpg)
Ihre Schüler mussten die Schule selber putzen. Sie ließ wochenlang den Unterricht ausfallen, damit die Kinder Theater spielen konnten. Ihr Lerncredo lautet: "Leistung muss sich wieder lohnen." Dennoch liegt ihr die reformpädagogische Community zu Füßen. Enja Riegel, Gründerin der preisgekrönten Helene-Lange-Gesamtschule und pensionierte Schulleiterin, eröffnet am Dienstag eine neue Schule. Der "Campus Klarenthal" in Wiesbaden ist eine private Schule. Riegel sagt, dass "die staatliche Schule zittern und Angst haben soll".
Das wird erst mal nicht nötig sein. Denn der 6 Hektar große Campus beherbergt zunächst nur eine Zwergschule. Neben den knapp 40 Kindern der "Kinderhaus" genannten Kita in Klarenthal werden es 46 Fünftklässler sein, die morgen ihren Unterricht antreten. "An diesem Tag sollen die Schüler im Mittelpunkt stehen", sagt die pädagogische Leiterin des Campus, Erika Wey-Falkenhagen. Wenn das Gelände der ehemaligen Gartenakademie erst einmal ausgebaut ist, wird sich zeigen, was Enja Riegel meint, wenn sie sagt: "Ich will an einem guten Modell zeigen, dass Schulen ganz anders arbeiten können als die öffentliche Schule heute."
Für den weitläufigen Campus Klarenthal wird das bedeuten, dass vom Kindergarten bis zum Abitur alles möglich ist. Die Kinder sollen die alte Gartenakademie, die dort zu Hause war, wieder aufleben lassen. Das heißt, sie können Gemüse und Sträucher anpflanzen, sie werden Tiere halten, und sie werden "auch etwas verkaufen können". So sagt es Riegel, die formell Gesellschafterin und Beraterin der Privatschule ist.
Dass sich Schüler ihre Projekte selbst finanzieren, etwa indem sie die Kosten für die Putzkolonne einsparen, das hat Riegel von ihrer mehrfach ausgezeichneten Helene-Lange-Schule übernommen. Einer Gesamtschule, der in Wiesbaden die Eltern die Bude einrennen - obwohl der notregierende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) keine Gelegenheit auslässt, das Modell Gesamtschule zu verspotten.
Auch Klarenthal wird eine integrierte Schule sein. Sogar eine, die besondere Kinder, etwa geistig behinderte oder Rollstuhlfahrer, in die normalen Klassen aufnimmt. Die Schule soll, so sagt Wey-Falkenhagen, die Schüler auf keinen Fall nach Leistungsgruppen trennen - Gemeinschaftsschule heißt das heute.
Das Herz des Campus in Klarenthal soll allerdings etwas anderes werden: ein großes professionelles Theater mit 350 Plätzen. Neben der Arbeit in der Natur sei Theater für Schüler das Wichtigste, findet Enja Riegel, "und alles, was dazugehört: die Musik, der Tanz und das Schauspiel." Es wird auch Künstler geben, lebende Vorbilder für die Schüler. "Kinder brauchen herausragende Aufgaben", sagte Riegel jüngst im Deutschlandradio dazu, "wirklich schwierige Projekte, etwas, an dem sie wachsen können - und was ihnen unglaublich viel Spaß macht."
Der Lernspaß in Klarenthal ist freilich nicht billig. Für Deutschland bedeutet ein Schulgeld von mindestens 200 Euro, "höchstens aber 875 Euro", wie es in der Schulbroschüre heißt, eine neue Dimension. Selbst für ein Aufnahmegespräch zahlt man 40 Euro - Einschulung nicht garantiert. Da ist Geschrei vorprogrammiert, zumal der Träger der Schule - neben Enja Riegel - der Evangelische Verein für Innere Mission in Nassau ist.
Riegel geht damit so um, wie man es von dem Enfant terrible der deutschen Rektoren gewohnt ist. Sie hätte viel Geld verdienen können, sagt sie spöttisch, um für einen großen Konzern in Deutschland eine Schule an den Markt zu bringen. "Aber ich bin nicht der Meinung, dass man mit Schulen Geld machen soll."
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