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Neue Praxis bei ZahnfüllungenAmalgam nur noch in Ausnahmefällen

Quecksilber in Zahnfüllungen ist schädlich für die Umwelt. Der standardmäßige Einsatz in der Zahnarztpraxis ist deshalb ab Anfang 2025 verboten.

Künftig stopfen sie eher Kunststoff als Amalgam in den kariesgeplagten Zahn Foto: dpa

Berlin dpa | Mit Beginn des neuen Jahres wird die Verwendung von Amalgam als Zahnfüllung weitgehend verboten – allerdings nicht aus direkten gesundheitlichen Gründen. Vielmehr geht es bei dem EU-Beschluss darum, das in Amalgam enthaltene giftige Quecksilber besser aus der Umwelt zu verbannen. Das Verbot betrifft ausschließlich neue Füllungen, es geht nicht um die Entfernung bereits vorhandener. Erachtet der Zahnarzt es etwa wegen hoher Kariesaktivität als medizinisch notwendig, Dentalamalgam zu nutzen, ist dies weiterhin erlaubt.

Eine Amalgamfüllung galt bisher für gesetzlich Krankenversicherte als einzige Kassenleistung für die Behandlung eines durch Karies geschädigten Zahnes. Künftig sind nun selbsthaftende Füllungen wie sogenannte Glasionomerzemente zuzahlungsfrei, die ohne zusätzliche Klebemittel angebracht werden können, wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mitteilte.

Die EU setzt damit Beschlüsse des sogenannten Minamata-Übereinkommens von 2017 um, eines internationalen Vertrags zum Schutz vor Quecksilberemissionen. Ziel ist es, die Verwendung von Quecksilber in Produkten zu reduzieren und so die Freisetzung in die Umwelt zu vermindern. Mit Quecksilber versetzte Produkte wie Zahnamalgam oder Lampen stellen die größte verbleibende absichtliche Verwendung des Stoffes in der EU dar. Herstellung, Einfuhr und Ausfuhr solcher Lampen sollen von 2026 an eingestellt werden. Früher wurde Quecksilber unter anderem auch in Batterien, Leuchtstoffröhren und Thermometern verwendet.

Gefährliches Stoffgemisch mit Quecksilber

Amalgam ist ein Stoffgemisch, das zu etwa der Hälfte aus Quecksilber sowie aus weiteren Metallen wie Silber, Zinn und Kupfer besteht. Es wird schon seit weit über 100 Jahren für Zahnfüllungen verwendet. Das Material ist preisgünstig, haltbar und leicht formbar. Das Problem darin ist allerdings das Quecksilber.

Es ist ein auch natürlich weltweit in der Umwelt vorkommendes Metall und ist etwa ein typischer Bestandteil der Steinkohle, wie es beim Umweltbundesamt heißt. Das in Deutschland vorhandene Quecksilber in Luft, Wasser und Sedimentschichten von Gewässern geht demnach auf Jahrhunderte der Kohleverfeuerung sowie insbesondere in bestimmten Flussabschnitten auf die einstige Einleitung aus Industrieanlagen zurück. Für Menschen und Tiere ist die Substanz giftig, in größeren Mengen auch tödlich. Eine Belastung mit Quecksilber kann das zentrale Nervensystem, die Lunge, die Nieren und das Immunsystem schädigen. Da es vom Organismus schlecht ausgeschieden wird, reichert es sich im Körper an. Neben dem Fischverzehr ist Dentalamalgam hierzulande die Hauptquelle.

Das Quecksilber wird – in sehr geringen Mengen – aus den Füllungen freigesetzt. Höher ist die potenzielle Aufnahme beim Einsetzen oder dem Entfernen einer Füllung, wenn die Substanz dampfförmig freiwerden kann. Wer eine Amalgamfüllung hat, sollte sie daher nicht ohne Anlass – wie einem Spalt zwischen Füllung und Zahn – entfernen lassen, raten Experten. Laut Umweltbundesamt sind neben Amalgamzahnfüllungen Fisch und andere Meerestiere eine bedeutsame Quelle für die Aufnahme von Quecksilber.

Mit zunehmender Zahl und Größe der Füllungen steigt die Belastung. Studien zufolge ist die aufgenommene Menge in Deutschland meist zu gering, um schädlich zu wirken. Mehrere Analysen, unter anderem eine bereits 2007 vom Robert-Koch-Institut (RKI) und eine 2008 von der TU München veröffentlichte, kamen zu dem Schluss, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und chronischen Erkrankungen gibt. Es gebe auch keine wissenschaftlichen Beweise für ein Krebsrisiko durch Amalgamfüllungen, heißt es beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Verwendet werden alternativ bestimmte Kunststoffe, nichtmetallische Legierungen aus Keramik sowie Metalllegierungen aus Edelmetallen wie Gold. Der Einsatz von Dentalamalgam war in den letzten Jahrzehnten bereits stark rückläufig – vielfach, weil Menschen die grauen Füllungen unschön finden. Im Jahr 2022 bestanden daraus nur noch 2,4 Prozent der plastischen Restaurationen, die über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet wurden, wie es von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) heißt.

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