Neue Partei in Georgien: Grüne für Homorechte
Georgien ist ein homofeindliches Land. Die neu gegründete Grüne Partei will sich für die Rechte von Frauen und der LGBTQ-Community engagieren.
Laut Programm konzentriert sich die Partei auf Umwelt, Gleichberechtigung und Bildung. Darüber hinaus haben Themen wie Gleichstellung, Rechte von Frauen, LGBTQ-Menschen, religiösen und ethnischen Minderheiten sowie Menschen mit Beeinträchtigungen Priorität. Die Partei wird von einem dreiköpfigen Vorstand geleitet, dem auch Nino Gogochuri angehört. Sie ist vor vier Jahren den Grünen beigetreten, als sie noch eine Bürgerrechtsbewegung waren.
In den vergangenen Jahren hat die Bevölkerung ihr Vertrauen in politische Parteien immer weiter verloren. Laut der jüngsten Umfrage der amerikanischen Organisation NDI (National Democratic Institute) sind 54 Prozent der Meinung, dass keine politische Partei ihre Interessen vertrete. Mittlerweile gibt es mehr als 250 politische Parteien im Land – kein Indikator für Demokratie, sondern das Gegenteil, meint die 35-Jährige. „Die Menschen vereinigen sich nicht um Werte, sondern um Persönlichkeiten. Sobald es zum Streit kommt, wenden sie sich ab und gründen ihre eigene Partei“, sagt sie.
Die Grünen glauben, dass die Politik in Georgien verjüngt werden müsse. „Junge Menschen werden von Männern mit Krawatten abgeschreckt, die ständig fluchen und streiten“, sagt Gogotschuri. Andererseits räumt sie ein, dass Menschen in Führungspositionen ziemlich jung seien. So ist der Ministerpräsident, Irakli Garibashvili, 40 Jahre alt und der Chef der Regierungspartei „Georgischer Traum“, Irakli Kobakhidze, 44. „In dieser Partei hat eine Person das Sagen und wählt selbst die wichtigen Posten aus“, fügt sie hinzu. Besagte Person ist der Milliardär Bidsina Iwanischwili, der reichste Mann Georgiens und Gründer der Partei „Georgischer Traum“. Kurz nach dem ersten Wahlsieg 2012 zog sich Iwanischwili aus der Politik zurück und gilt seitdem als Strippenzieher hinter den Kulissen.
Tornike Kusiani, Grüne Partei Georgiens
Eine von zwölf Vorgaben der EU-Kommission für den Beitritt Georgiens zur EU ist, die Einflussnahme privater Interessen auf Politik und Wirtschaft zu unterbinden. Georgien hat im März 2022 den Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt, aber keinen Kandidatenstatus bekommen. Die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich den Beitritt zur EU. Die Grünen solidarisieren sich auch mit dem politischen Mainstream: Der Beitritt zur EU ist alternativlos.
Die nächste Parlamentswahl in Georgien findet 2024 statt. Ein weiterer Vorständler der Grünen, Tornike Kusiani, sagt, eines der Ziele bis dahin sei es, vielfältiger zu werden. Menschen aus verschiedenen sozialen Gruppen, wie Arbeiter und Bergleute sowie Menschen mit Beeinträchtigungen sollten sich der Partei anschließen. Derzeit lebt der 33-Jährige in Barcelona, wo er über Umwelttechnologien promoviert. Alle paar Monate kommt er nach Georgien. „Die Behörden ignorieren alle Aktivitäten und jede Art von Protest. Das geht seit Jahren so und hat die Hoffnung der Menschen zerstört, etwas bewegen zu können“, sagt er und fügt hinzu, dass viele deswegen das Land verließen. Laut einer Studie des internationalen Unternehmens Policy and Management Consulting Group haben zwischen 2010 und 2021 961.000 Menschen Georgien den Rücken gekehrt. Das ist fast ein Viertel der Bevölkerung.
Kusiani ist seit vielen Jahren Aktivist und sagt, er sei mehr als einmal am Rande eines emotionalen Burnouts gewesen. „Die Behörden nutzten Homophobie zu ihrem Vorteil und säten Hass“. Georgien ist eines der homophobsten Länder Osteuropas. Angriffe auf queere Personen sind an der Tagesordnung, manchmal enden sie tödlich. Kusiani bezeichnet die meisten Entscheidungsträger als „toxisch“.
Keiner der Chef*innen der Grünen hat eine politische Vergangenheit. Aber das macht ihnen keine Angst. Vielmehr möchten sie auf die Zusammenhänge zwischen Umweltproblemen und fehlender Gleichberechtigung und qualitativ hochwertiger Bildung aufmerksam machen.
Bereits zu Sowjetzeiten, 1989, wurde in Georgien eine Grüne Partei gegründet. Bei der Parlamentswahl 2020 erhielt sie 0,07 Prozent der Stimmen. Die neu gegründete Partei distanziert sich von den alten Grünen: „Sie waren und sind zu konservativ.“
Aus dem Russischen: Barbara Oertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los