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Neue NutzungsbedingungenEigentor für WhatsApp

Der Messengerdienst will Daten mit Facebook austauschen. Viele User:innen wechseln offenbar zur Konkurrenz. In der EU schützt sie die DSGVO.

Schon länger bestehen bei einigen Nutzer*innen erhebliche Zweifel über die Sicherheit der App Foto: C.Hardt/Future Image/snapshot

Eigentlich müsste sich der Messengerdienst Signal bei Mark Zuckerberg bedanken. Denn die neuen Nutzungsbedingungen von WhatsApp haben für einen enormen Zustrom beim Konkurrenten gesorgt. So enorm sogar, dass Signals Anmeldeverfahren nach eigenen Angaben für kurze Zeit überlastet war.

Via Twitter ließ Signal am Donnerstag verlauten, dass die Verifizierungscodes, die zur Anmeldung verschickt werden, derzeit verzögert kämen. Grund dafür sei der große Andrang neuer User:innen. „Wir können unsere Aufregung kaum fassen“, hieß es in dem Tweet.

Bei WhatsApp werden Nutzer:innen seit einigen Tagen dazu aufgefordert, den neuen Geschäftsbedingungen zuzustimmen. Darin heißt es, dass WhatsApp künftig persönliche Daten mit Facebook austauscht, unter anderem Telefonnummern, Transaktionsdaten „und Informationen darüber, wie du mit anderen (einschließlich anderen Unternehmen) interagierst“. Bisher gab es die Möglichkeit, diesen Datenaustausch in den Einstellungen zu deaktivieren. Diese Option soll nun wegfallen.

Laut der AGB will WhatsApp so unter anderem „Spam, Bedrohungen, Missbrauch und Rechteverletzungen“ bekämpfen – aber auch von Individualisierung und Vermarktung ist die Rede. Schon lange gab es Befürchtungen, dass WhatsApp seine Daten mit Facebook noch mehr teilen könnte. Facebook, dem auch Instagram gehört, hatte sich den Marktführer unter den Messengerdiensten 2014 einverleibt.

Die DSGVO schützt Europa

Bei WhatsApp besteht bisher eine End-to-End-Verschlüsselung. Was aber wird daraus, wenn das Unternehmen nun die Interaktionen seiner User:innen analysieren will? Dafür müsste es Zugang zu Chats, Bildern und Sprachnachrichten haben. Genauso unklar ist, ob WhatsApp mit den neuen Nutzungsbedingungen den Weg freimacht zu personalisierten Werbeanzeigen. Solche Neuigkeiten rufen Datenschützer:innen auf den Plan.

Niamh Sweeney, WhatsApps Director of Policy, erklärte derweil auf Twitter: Für europäische Nutzer:innen verändere sich durch das Update nichts. WhatsApp gebe nach wie vor keine europäischen Nutzerdaten zu Werbezwecken an Facebook weiter. Allerdings hieß es bereits vor der Aktualisierung der Nutzerbedingungen in den WhatsApp-AGB, dass wenige Informationen, wie etwa die Telefonnummer, an Facebook weitergegeben werden dürften.

Dass das aber wirklich passiert, ist dank der Datenschutz-Grundverordnung unwahrscheinlich. Ihr ist es auch zu verdanken, dass Europäer:innen von den neuen Datenschutzrichtlinien nicht betroffen sind.

Vielen reicht's jetzt

Seit Jahren kommen immer wieder Zweifel daran auf, wie sicher die Verschlüsselung von WhatsApp wirklich ist. Die neuen Nutzungsbedingungen scheinen der Tritt zu sein, den viele brauchten, um sich endgültig von der App zu verabschieden. Zum Beispiel zu Signal.

Signal gilt als eins der sichersten Messenger-Angebote. Chats und Telefonate sind sowohl in Unterhaltungen zu zweit, als auch als Gruppe verschlüsselt. Die App ist kostenlos und Open Source. Dafür muss man aber zur Anmeldung eine Telefonnummer angeben. Konkurrent Threema verlangt das nicht, ist allerdings auch nicht kostenlos. Weitere WhatsApp-Alternativen sind etwa Telegram und Viber.

Signal hat allerdings etwas, das die anderen Apps nicht haben: prominente Unterstützung. Elon Musk, neuerdings reichster Mensch der Welt, stellte am Donnerstag seine enorme Reichweite zur Schau: Der schlichte Tweet „Use Signal“ („Nutze Signal“) erreichte bis Freitagmittag fast 25.000 Retweets und über 237.000 Likes. Damit dürfte Musk für den Ansturm auf Signal mitverantwortlich sein. Auch Whistleblower Edward Snowden outete sich als Fan: „Ich nutze es jeden Tag und ich bin noch nicht tot“, schrieb er – zugegebenermaßen wenig enthusiastisch – auf Twitter.

Bis zum 8. Februar haben die über 1,5 Milliarden WhatsApp-Nutzer:innen noch Zeit, sich zu entscheiden: Ja zum Datentausch oder doch lieber raus. Schon jetzt haben die Messenger-Alternativen von dem Eigentor ordentlich profitiert. Das wäre doch eigentlich einen hübschen Präsentkorb an Mark Zuckerberg wert.

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21 Kommentare

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  • "Bei WhatsApp besteht bisher eine End-to-End-Verschlüsselung."

    Als ob weder Facebook noch die US Geheimdienste da nicht mitlesen könnten - wer was anderes glaubt ist ein Idiot.

    Genau wie die NSA bei Teams, Ondrive und Co von Microsoft mitliest: Mal Snowden studieren bzw. die offizielle Aufgabenbeschreibung der NSA --> Primär Industriespionage! Und wo sind die Firmengeheimnisse, Patentideen, etc? Richtig: MS-Office!

    • @danny schneider:

      Ironie-Mode: An....

      Sind Sie Verschwörungstheoretiker?

      Ironie-Mode: Aus...

  • Use Signal!

    (muss mensch das hier wirklich noch drunterschreiben? ;) )

    • @Fe lix:

      Warum nicht Jabber? offenes, freies Protokoll, Clients in OpenSource, offene Server, keine Firma dahinter, gibts schon seit gut 20Jahren,...

      • @danny schneider:

        Und ist auch noch quicksylebendig!

        Ich empfehle allen Jabber a.k.a. XMPP, denn auf geschlossene Veranstaltungen lege ich keinen Wert, egal, ob sie Whatsapp, Signal, Threema oder Telegram heißen.

      • @danny schneider:

        Warum Werbung machen für einen Dienst, der in der Amazon-Cloud in den USA läuft und von Milliardären hofiert und mit 105 Millionen USD finanziert wird. Und bei dessen Nutzung man seine Telefonnummer angeben muß — geht's noch?

        Dann doch lieber Jabber/XMPP (z.B. blabber.im oder conversations.im oder quicksy.im). Die sind hier in DE und an die DSGVO gebunden.

  • "Die DSGVO schützt Europa".

    Aha. Und wir glauben, dass das Facebook-Imperium sich daran hält?

    • @Bitbändiger:

      weil die ganz viel Angst vor der Uschi haben!

      • @danny schneider:

        Oder Uschi sehr befreundet mit Mark Zuckerberg ist...



        Mai 2018.. EU-Parlament Befragung(!) von Mark Z.



        Suchen Sie einfach " EU Mark Zuckerberg Selfie".... Und schauen Sie bitte Bilder- Ergebnisse..

  • Hallo, danke für den erhellenden Artikel.



    Es wird Zeit, dass wir als mündige Nutzer von Messengerdiensten nicht alles wehrlos schlucken.



    Es gibt Alternativen. Wir können mit unserem Verhalten zeigen, dass wir damit nicht einverstanden sind.



    Ansonsten sind wir wie eine träge Herde Kühe, schauen kurz auf und grasen dann gemütlich weiter (Liedtext Herbert Grönemeyer "Jetzt oder nie).



    Ich nutze die Alternative und habe bei meiner Familie und Freunden/innen dafür auch Werbung gemacht.

    Zum Schutz für meine Familie, Freunde und mich... Wer nicht mitmacht, schreibt mir dann eine SMS oder Mail oder ruft an.



    Ich will mein Leben nicht davon abhängig machen, was die große Mehrheit nutzt, sondern wo ich ein gutes und sicheres Gefühl habe.



    Also JETZT bzw. bis 07.02.2021 :-)

  • Da ist wohl er der Wunsch, der Vater des Gedanken. Ich hab mir WhatsApp in erster Linie nur zugelegt, weil ich es benötige dienstlich mit verschiedenen Auftraggebern zusammenzuarbeiten. Privat könnt ich drauf verzichten.

    Mir nützen die ganzen "Alternativen", die ständig in den Topf geworfen werden, überhaupt nix, da sie so gut wie niemand, mit dem ich kommunizieren muss, nutzt.

    Wie im Artikel selbst dargestellt, ist eine umfängliche Vernetzung und Auswertung der Daten in der EU praktisch durch die Datenschutzgesetzgebung nicht möglich. Auch bislang hat eine nahezu identisch wirksame Klausel in den Nutzungsbestimmungen kaum jemanden von WhattsApp wegbewegt.

    Weshalb sollte dann jetzt eine relevant große Anzahl der rund 34 Mio User in Deutschland anders denken?

    • @Deep South:

      Auftraggeber kann man sich ja auswählen... Man muss dem Kunden nur klar machen: keine sensible Kommunikation über US Produkte!

      Und wenn der Kunde zickt... verzichtet man auf diesen eben.

      • @danny schneider:

        Na klar. Auftraggeber stehen ja Schlange vor meiner Tür, gerade jetzt während der Pandemie. Und die, die mir grad 100% meines Einkommens sichern, stell ich demnächst vor die Wahl. Entweder kein WhatsApp mehr oder ihr müsst euch jemand Anderen suchen. Warum bin ich da noch nicht drauf gekommen?

  • THREEMA KOSTET SEHR WENIG GELD:

    EINMAL BEIM RUNTERLAEN DER APP: dANN NIE WIEDER.

    • @Friderike Graebert:

      Alles schön und gut;



      was bringt das wenn sonst keiner bereit ist sich zu beteiligen?



      Richtig, es wird einsam.

      • @Hugo Rune:

        Genau das ist das Problem.



        Alle sind zu bequem sich mit Datenschutz zu beschäftigen und mal andere Leute von sicheren Messengern zu überzeugen.



        Aber rumjaulen, wenn das Thema Bargeldabschaffung mal wieder von der Boulevardpresse aufgetischt wird.

      • @Hugo Rune:

        Genau das ist der Punkt. Und wenn man diese Einsamkeit schon riskiert, möchte man wenigstens halbwegs sicher sein, dass man nicht in 6 Monaten wieder vor dem selben Problem steht.

        Leider ist es relativ wahrscheinlich, dass auch derzeitige Alternativen keine bleiben werden. Erfolg macht nun mal sexy. Leider zieht er nicht nur ganz normale Leute magisch an, sondern auch Ar... äh... Leute mit deformiertem Ego und fehlender Sozialkompetenz. Und anders als im Privatleben ist das in „der Wirtschaft“ ein echtes Problem.

        In „der Wirtschaft“ entscheidet nun mal das Geld, nicht das Herz und auch nicht der Kopf. Geld aber haben unangenehmen Zeitgenossen leider oft in rauen Mengen. Weil die nie Skrupel hatten, auch das großzügig zu nehmen, was ihnen gar nicht zusteht (und es anschließend mit niemandem mehr zu teilen).

        Es kann also gut sein, dass man eines schönen Tages aufwacht und sich für nichts und wieder nichts selbst isoliert hat. Von dieser Tatsache profitiert WhatsApp. Ich möchte sogar wetten, dass der Zeitpunkt dieser Nutzer-Info nicht ganz zufällig gewählt war. Danke, Corona. Danke, Regierung. Die Oma hatte wohl tatsächlich recht: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.

        • @mowgli:

          Das Problem ist XMPP ist ein Offizieller Internet Standard für das Instant Messaging. Aber - gab da mal eine schöne Doku auf Arte/Phoenix - reiche Investoren investieren gezielt in Firmen WA, Twitter, Facebook, Google, die offene Standards wie E-Mail, Xmpp, ... untergraben. Da freie Betriebssystem, freie Client und freie Serverwahl ist sehr schlecht für die "Kunden"bindung zwecks Abzocke.

          Leider kapieren die meisten nicht, das sie nicht der Kunde sind, sondern die Ware.

          • @danny schneider:

            Genau so ist es.

            Die 105 Millionen USD vom WA-Gründer für Signal sprechen Bände.

  • Technische Info zu Riot / Element basierend auf dem Matrix Protokoll: de.wikipedia.org/w...ikationsprotokoll)

  • Eine andere (derzeit nicht ganz so komfortable, aber technisch sehr solide) Alternative is element.io (die App hat sich nach den Ereignissen in Hong Kong und der Black Lives Matter Bewegung in den USA umbenannt, um Nutzer nicht unnötig zu gefährden).

    element.io ist Open Source / Freie Software (wie Linux), also kostenlos zu haben, und im Gegensatz zu z.B. Threema kann man den Quellcode einsehen und je nach technischen Vermögen die App selber zusammen bauen - Hintertüren, die man bei kommerziellen Apps wie Threema nie ganz widerlegen kann, sind ausgeschlossen.

    Ein weiterer grosser technische Vorteil ist wie folgt: element basiert auf dem Matrix=Protokoll, ähnlich wie email auf dem SMTP Protokoll basiert, und Jabber auf dem XMPP Protokoll basierte. Dies ermöglicht es, dass es viele verschiedene Clients gibt, und viele untereinander verbundene Server kommunizieren. Diese Server können auch von Privatleuten betrieben werden. Und das hat die Konsequenz, dass, anders als ein zentraler Dienst, eine Behörde oder ein Geheimdienst den Betreiber des Dienstes nicht zwingen kann, Daten preis zu geben, in die Verschlüsselung Hintertüren einzubauen, oder Metadaten preis zu geben.

    Ein offenes, gut definiertes, frei implementiertes Protokoll, und Apps als Open Source Software sind also genau das, was nötig ist um langfristig Privatsphäre zu sichern, und \u verhindern dass Nutzer wieder in einer propietären App mit ihren Netzwerkeffekten eingeschlossen werden. Dies gibt also Sicherheit gegenüber verschlüsselten Lösungen wie Signal oder Threema.

    Schließlich unterstützen element.io und andere Matrix Protokoll Clients auch Newgroup- und Gruppenchat-Funktionen, was eine häufige Nutzung von Whatsapp und kommerziellen Diensten wie Slack ist.