Neue Netflixserie „The Madness“: Hitchcock auf Sparflamme
In der Serie „The Madness“ wird einem Fernsehjournalisten ein Mord angehängt. Klingt spannend, doch einige Chancen bleiben ungenutzt.
Als politischer Kommentator im US-Fernsehen macht man sich schnell Feinde. Muncie Daniels, der Protagonist der neuen Netflix-Serie „The Madness“, weiß davon ein Lied zu singen. Kaum rückt der Traum einer eigene Sendung auf CNN näher, werden mal wieder Vorwürfe laut.
Er habe der Welt der gemeinnützigen Organisationen und des Aktivismus, aus der er ursprünglich kommt, zugunsten kapitalistischer Interessen den Rücken gekehrt, zum Beispiel. Oder die Schwarze Community für die eigene Karriere verraten.
Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was Muncie (Colman Domingo) bevorsteht, als er sich für einige Tage in die Wälder der Pocono Mountains unweit von Philadelphia zurückzieht, um an einem neuen Buch zu schreiben.
Der freundliche Herr, der eben noch Hilfe angeboten hatte, liegt plötzlich tot und zerstückelt in der Sauna der Nachbarhütte. Den beiden Maskierten, die mutmaßlich für die Gräueltat verantwortlich sind, entkommt Muncie nur mit Müh und Not. Aber es kommt noch schlimmer.
„The Madness“
8 Folgen auf Netflix
Alle hitzigen Themen untergebracht
Bald stellt sich heraus, dass es sich bei dem Ermordeten um einen online einflussreichen Neonazi handelt – und die Tat offenkundig Muncie in die Schuhe geschoben werden soll. Für die Polizei ist er jedenfalls schnell der Hauptverdächtige, die Gerüchteküche der sozialen Netzwerke brodelt und bei CNN will man ohnehin nichts mehr von ihm wissen.
Mit aller Macht und mit Hilfe des in ähnlichen Gefilden ermittelnden FBI-Agenten Quinones (John Ortiz) will Muncie auf eigene Faust die Wahrheit ans Licht bringen und seinen Namen reinwaschen, auch weil seine Noch-Ehefrau Elena (Marsha Stephanie Blake) und die beiden Kinder in Gefahr sind. Allerdings wird seine Lage von Tag zu Tag aussichtsloser, nicht erst, als auch ein Milliardär (Bradley Whitford) und eine Auftragskillerin (Alison Wright) in den Fall verwickelt scheinen.
Auf den ersten Blick erweckt „The Madness“, bestehend aus acht Episoden und erdacht vom Theater- und Drehbuchautor Stephen Belber, den Eindruck, dass hier die gesellschaftspolitisch ganz heißen Eisen angepackt werden. Es geht um Rassismus und korrupte Cops, um mediale Cancel Culture und Fake News, um rechtsnationale Strömungen und Verschwörungstheorien.
Zwischen „Auf der Flucht“ und Hitchcock
Lange dauert es allerdings nicht, bis man als Zuschauer*in merkt: Die Serie hat weder den Mumm noch das Interesse, wirklich etwas zu diesen Themen zu sagen, die deswegen bloß zu schmückendem, oft widersprüchlichem Beiwerk in einem letztlich eher schlichten Paranoia-Thriller-Plot werden.
In den besten Momenten sieht man darüber gerne hinweg, denn da bietet „The Madness“ genug Spannung, um am Ball zu bleiben, irgendwo zwischen „Auf der Flucht“ und Hitchcock. Doch das allein kann die Serie nicht retten, die eigentlich nur genug Stoff für einen zweistündigen Spielfilm mitbringt.
Zu viele Logiklöcher finden sich im Plot, zu übertrieben wirkt die Dickköpfigkeit des Protagonisten, zu sehr scheinen die Nebenfiguren und ihre Konflikte bloß Drehbuchzwecken zu folgen, statt glaubwürdigen zwischenmenschlichen Beziehungen zu entsprechen. Und die Art und Weise, wie hier Blackness erzählerisch in den Vordergrund gerückt wird, wirkt nicht annähernd so authentisch wie aktuell etwa in „Cross“.
Bedauerlich ist das nicht zuletzt für den exzellenten und einnehmend charismatischen Hauptdarsteller Colman Domingo. Lange Jahre gehörte er zu den bestgehüteten Geheimnissen der US-amerikanischen Schauspielszene, bevor er zuletzt mit Rollen in „Fear the Walking Dead“, „Euphoria“ oder der Oscar-Nominierung „Rustin“ endlich den Durchbruch schaffte. Für seine erste große Serien-Hauptrolle hätte man ihm eine gelungenere Produktion gewünscht.
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