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Neue Musik aus BerlinSymphonie einer Hauptstadt

Die Soundcollage „Espacios En Soledad“ von Paula Schopf ist das Dokument einer sich vorsichtig umhörenden Rückkehr.

Paula Schopf Foto: Marco Microbi

E inen Einreisestempel zum Perkussionsinstrument zu machen, ist nicht die schlechteste Art, mit Formalitäten umzugehen. Dass es obendrein noch gut klingt, ein wenig nach einer gedämpften Basstrommel, lässt sich in der zweiten Minute von Paula Schopfs Soundcollage „Espacios En Soledad“ hören.

Schopf ist eine chilenische Klangkünstlerin. Mitte der Siebzigerjahre musste ihre Familie vor der Pinochet-Diktatur nach Frankfurt am Main fliehen; sie selbst ist Anfang der Neunzigerjahre ein zweites Mal nach Deutschland gekommen, diesmal freiwillig in die Techno- und Elektronikszene Berlins, deren Clubsounds sich für lange Zeit über die Klänge Chiles legen sollten.

Das Album

Espacios En Soledad: Paula Schopf (EP Karaoke Kalk/LC 10028)

„Espacios En Soledad“ ist das Dokument einer sich vorsichtig umhörenden Rückkehr. Paula Schopf hat die Symphonie einer Hauptstadt montiert, die Flugzeug- und Flughafengeräusche, die Ankunft in Santiago de Chile, den Weg über die Paseo de Ahumada, eine Fußgängerachse, die auf den Plaza de Armas führt, dorthin, wo sich in Lateinamerika am Sonntag alles trifft.

„Espacios En Soledad“, der Titel legt nahe, dass Schopf in den Trubel nicht ganz eintauchen kann, auch wenn ihr Essen angeboten wird und sich Liebeslieder der linken Folksängerin Violeta Parra durch die Komposition ziehen.

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Gesungen von einer alten Dame, mit dem Schlaf kämpfend, während um sie ein Mensch im Mickey Mouse-Kostüm scharwenzelt. Das ist auf der fünfzehnminütigen Platte nicht zu hören, aber Paula Schopf erinnert sich an das Sinnbild, während sie aus Puntas Arenas telefoniert, der Geburtsstadt des neuen progressiven Präsidenten Gabriel Boric. Ihr Aufnahmeequipment hat sie dabei.

Auf der Website von Paula Schopf lassen sich zwei frühe Versionen von „Espacios En Soledad“ anhören und ansehen, eine davon von 2017 aus dem Kesselhaus Berlin, die andere vom „Heroines of Sound“-Festival 2018.

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Robert Mießner
Robert Mießner, geboren 1973 in Ost-Berlin. Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Philosophie und Bibliothekswissenschaft. Flaniert und notiert, hört zu und schreibt auf. Herausgeber (mit Alexander Pehlemann und Ronald Galenza) von „Magnetizdat DDR. Magnetbanduntergrund Ost 1979–1990“, Buch und LP, Berlin, Leipzig und Barreiro 2023.
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