piwik no script img

Neue Migrationsgesetze in Frankreich„Kleinkarierte“ Grande Nation

Zehntausende Menschen demonstrieren in Frankreich gegen restriktive Immigrationsgesetze. Kritiker versuchen, Macrons Pläne per Klage zu stoppen.

Gegner der französischen Einwanderungsgesetze am Sonntag bei einer Demonstration in Paris Foto: Thomas Padilla/dpa

Paris taz | Zehntausende Menschen haben am Sonntag in ganz Frankreich gegen die kurz vor Weihnachten vom Parlament verabschiedeten restriktiven Immigrationsgesetze demonstriert. In Paris marschierten rund 30.000 Menschen vom Platz der Menschenrechte am Trocadéro zum Invalidendom.

In rund 150 Provinzstädten nahmen jeweils mehrere Hundert oder mehrere Tausend an dieser Mobilisierung gegen die neuen Regeln teil, die für neue Ein­wan­de­re­r*­in­nen sehr restriktiv werden und zudem die Integration bereits in Frankreich lebender Ausländer zu erschweren drohen.

Aufgerufen hatten außer den großen Gewerkschaftsverbänden und sämtlichen linken Parteien eine Reihe von Persönlichkeiten aus der Kultur. Sie sind schockiert darüber, wie sich das für seine universellen Grundwerte bekannte Frankreich mit solchen Gesetzen zu verbarrikadieren sucht.

Die Schauspielerin Ariane Ascaride gab im TV-Sender FranceInfo in diesem Sinne zu bedenken: „Frankreich war immer ein Land der Aufnahme (von Geflüchteten). Und ich bin dankbar dafür, dass meine italienischen Großeltern hereingelassen wurden.“ Jetzt aber werde „mit Angst Stimmung gemacht“. Dafür könne sie sich bloß schämen: „Es gibt Großartiges in Frankreich, mit einem solchen (fremdenfeindlichen) Denken aber wird unser Land ganz klein“, meint Ascaride.

Präsident Macron kam den Konservativen stark entgegen

Besonders umstritten ist bei den Geg­ne­r*in­nen die vorgesehene Verankerung einer Form „nationaler Präferenz“ für bestimmte Sozialgelder sowie beschleunigte Abschiebungsprozeduren. Auch wird das „Jus soli“, das in Frankreich seit Jahrhunderten in Kraft ist, relativiert: Wer als Kind ausländischer Eltern auf französischem Boden geboren wird, soll mit 18 nicht mehr wie bisher automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen, sondern muss diese ausdrücklich beantragen.

Diese Gesetze wurden in dieser Form nicht von der Regierung entworfen, sondern von den Konservativen (Les Républicains) redigiert, die es sich in der Parlamentsdebatte zunutze machten, dass Emmanuel Macrons Fraktionen in der Nationalversammlung mangels einer eigenen Mehrheit auf ihre Stimmen angewiesen waren.

Was am Ende eines Feilschens herauskam, verschärfte die Konditionen der Einwanderung weit mehr, als dies Präsident Macron und selbst Innenminister Gérald Darmanin ursprünglich gewünscht hatten.

Noch hoffen die am Sonntag Demonstrierenden, dass der Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) in seinem mit Spannung erwarteten Urteil am Donnerstag aufgrund mehrerer Klagen diese Gesetze ganz oder wenigstens teilweise für ungültig erklärt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Welche Probleme hat Frankreich durch die dominierende Form der Einwanderung?

    „In Cafés sitzen keine Frauen mehr“.

    So die Überschrift eines hervorragenden FAZ-Interviews mit Alice Schwarzer und der französischen Philosophin Elisabeth Badinter.

    www.faz.net/aktuel...smus-15333514.html

    Sehr gut auch das Interview der taz mit der früheren Charlie-Hebdo-Mitarbeiterin und Journalistin Caroline Fourest:

    taz.de/Populismus-...lamismus/!5754686/

    Doch es geht nicht nur gegen Frauen und Juden (es wird längst die Armee eingesetzt um diese zu schützen) in Frankreich, sondern längst auch gegen "Weiße".

    www.faz.net/aktuel...19329807.html#void

    Der großartige Pascal Bruckner spricht längst von einer "Entzivilisierung des Landes". Und "Frankreich als krankem Mann Europas"

    Welche Zeitungen dort trauen sich noch ihn zu zitieren? .Alle haben Angst das gleiche Schicksal zu erleiden wie Charlie Hebdo. Und Lehrer trauen sich nichts mehr zu sagen wollen sie nicht, dass es ihnen ergeht wie dem mutigen Samuel Paty.

    Einzig Jean-Luc Mélenchon profitiert. Seine Klientel bringt Millionen Stimmen auf die Waage.

    Frankreich ist nicht "kleinkariert", sondern arbeitet im Überlebensmodus.

    Alles Gute dabei!

  • Vielleicht sollte Deutschland neben den ca 50 Mrd fuer seine Fluechtlingspolitik nochmal 50 Mrd fuer eine aehnliche Politik bei unseren Nachbarn springen lassen. Die scheinen ja alle auf AFD-Kurs zu sein.