Neue Kritik an rechtslastigem Professor: Bundespolizei lernt Muslim-Phobie

Die Lübecker Bundespolizeiakademie hatte den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit weggewischt. Nun legen Kollegen mit einer Studie nach.

Zwei Menschen liegen auf einem Bahnsteig. Auf einen von ihnen tritt ein maskierter Polizist und hält in Richtung von dessen rot gefärbtem Kopf ein Gewehr, aus dem Mündungsfeuer zu kommen scheint. Im Hintergund filmt ein weiterer Polizist die Szene.

„Letzte Option gezielte Gewalt“: Anti-Terror-Übung der Bundespolizei im Lübecker Hauptbahnhof Foto: Christian Charisius/dpa

LÜBECK taz | Wir sind in Gefahr, nur wissen wir es noch nicht. Bedroht ist, wenn man einem Professor an der Lübecker Bundespolizei-Hochschule glauben darf, unsere ethnische Identität. Und die Aggressoren sind Zuwanderer, besonders aus muslimischen Ländern: „Die Mischung aus Technologie, Migration und demografischem Wandel“ ermögliche „die Evolution des Terrorismus zur existenziellen Bedrohung westlicher Gesellschaften“, schreibt der Entwicklungswissenschaftler und Sicherheitsexperte Stephan Maninger in einem Aufsatz von 2019. Eine Ursache sei „der geringe Entscheidungsspielraum der staatlichen Akteure“, wodurch „in Staaten mit signifikanten muslimischen Bevölkerungssegmenten“ Terrorszenarien und eine „Balkanisierung“ drohen.

Seit einem Vierteljahrhundert warnt Maninger in seinen Schriften vor der Gefahr von Konflikten bis hin zum Bürgerkrieg. Seit 2001 arbeitet er an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, seit 2009 als Dozent am Fachbereich Bundespolizei. 2016 wurde er dort Professor für Sicherheitspolitik. In Lübeck werden Polizistinnen und Polizisten für den höheren Dienst und für Sondereinsatzkommandos in der Terrorismusbekämpfung ausgebildet.

Seine Publikationen und seine Vita wären Maninger fast schon einmal auf die Füße gefallen. Im August 2021 veröffentlichten die Medien der „Ippen Media“ mehrere Artikel, die eine Vergangenheit des Professors im rechten bis ultrarechten Milieu belegen. Neben zahlreichen Artikeln unter anderem in der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, hat er rechtsnationale oder ethno-pluralistische Gruppen unterstützt, darunter die separatistische „Afrikaner Volksfront“ in Südafrika als Pressesprecher. Er war Mitbegründer des Thinktanks „Institut für Staatspolitik“, den das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall führt.

Hochschule sah Fremdenfeindlichkeit – in der Vergangenheit

Über Jahrzehnte schrieb Maninger gegen Multikulturalismus und für eine Stärkung der Exekutive, auch wenn dadurch rechtsstaatliche Grundsätze geopfert werden müssten: „Es bleiben daher für Entscheidungsträger zunehmend weniger Handlungsoptionen außer dem Einsatz von gezielter Gewalt“, schrieb er 2009.

Nach der Ippen-Publikation stellte die Bundespolizeiakademie Maninger von der Lehre frei und untersuchte den Fall in einer Innenrevision. Das Ergebnis: Maningers Vergangenheit und der fremdenfeindliche Gehalt einiger seiner Publikationen werden nicht geleugnet. Bestätigt wird beispielsweise auch, dass er in einer Lehrveranstaltung über Homosexuelle gesagt haben soll, dann könne man „ja auch sein Hausschwein heiraten“. Doch die kritisierten Aufsätze und seine politischen Aktivitäten lägen „mindestens 20 Jahre zurück“. Daher gebe es keinen Grund, ihn zu entlassen. Maninger selbst antwortete damals über seinen Anwalt, er teile keine rassistischen Konzepte und erwähne in seinem Unterricht auch die positiven Aspekte von Migration.

Also alles Geschichte? Die beiden Politikwissenschaftler Daniel Peters und Matthias Lemke sind überzeugt, dass das so nicht stimmt. Der eine ist ein Kollege Maningers an der Polizeihochschule, der andere wurde dort nach Bekanntwerden des Eklats um Maninger 2021 entlassen, offiziell wegen Fehlverhaltens bei der Akquise von Drittmitteln. Seitdem haben sie sich intensiv mit Maningers Schriften beschäftigt und in der vergangenen Woche eine Studie vorgelegt, um zu beweisen, dass der Professor nach wie vor der Neuen Rechten zugeordnet werden kann. Die Studie unter dem Titel „„Ethnoreligiöse Brückenköpfe“, „postheroische Handlungseunuchen“ und die „Selbsterhaltung des Volkes in seiner optimalen Form“ – Neurechte Positionen und ihre Verbreitungsstrategie in den Schriften des Bundespolizei-Professors Stephan Maninger“ erschien online und frei zugänglich im „Jahrbuch Öffentliche Sicherheit“. Tenor der Studie: Wording und Adressatenkreis seiner Veröffentlichungen hätten sich verändert, aber er sei seinen Ideen im Kern treu geblieben.

In Ethno-Containern gefangene Menschen

Auf rund 60 Seiten analysieren die Autoren Weltbild, Argumentationslinien und Quellen in Maningers Schriften zwischen 1995 und 2022. Die Weltanschauung der Neuen Rechten, schreiben sie, geht von der Ungleichheit der Menschen aus. „Diese ethnische Kategorialtrennung basiert auf einem homogenisierenden und soziobiologischen Differenzdenken, in dem einerseits Menschen nur in ihrer ethnisch-kulturellen Identität – und nicht in ihrer Subjektivität – gedacht werden, immer nur als Teil eines (unabänderlichen) Kollektivs, das anderen Kollektiven gegenüber- und entgegensteht, im Sinne einer auch kämpferisch und kriegerisch gedachten Freund-Feind-Dichotomie“. Aus diesem Menschenbild ergebe sich eine auf Angst und eine „Opfererzählung“ gebaute Politik, die keine Diplomatie im modernen Sinne kennt.

Auf Anfrage teilt die Polizeihochschule mit, frühere Publikationen Maningers seien „umfangreich untersucht worden“, und es konnte darin „kein straf- und/oder disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten festgestellt werden“. Die „jüngste Veröffentlichung“, also die Studie von Peters und Lemke, sei „bekannt und wird derzeit geprüft. Dies umfasst insbesondere die jüngeren Schriften von Dr. M.“.

Maninger selbst hatte schon im Vorfeld der Veröffentlichung reagiert: Über seinen Anwalt Ralf Höcker schickte er einen Brief an die Autoren, in dem er kritisiert, er habe keine Gelegenheit bekommen, sich zu den „Verdachtsmomenten“ in der Studie zu äußern. Zu den Inhalten seiner Zitate äußert er sich nicht.

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