Neue Komödie mit Sacha Baron Cohen: Grimsby ist ein richtiges Scheißloch
Im Osten Englands dreht sich ein Dönerspieß: „Der Spion und sein Bruder“ heißt die liebenswerte neue Komödie mit Sacha Baron Cohen.
Sacha Baron Cohen ist nicht Ali G. Er ist nicht Borat, nicht Brüno und Aladeen ist er auch nicht. In Louis Leterriers Film „Der Spion und sein Bruder“, der im Original schlicht „Grimsby“ heißt und für den Cohen das Drehbuch verfasst sowie die Hauptrolle übernommen hat, ist er Norman „Nobby“ Butcher.
Nicht der Gangsta-Typ im gelben Trainingsanzug (Ali G). Oder der antisemitische TV-Journalist aus Kasachstan, der nach „U. S. and A.“ reiste, um Pamela Anderson zu ehelichen (Borat Sagdiyev). Auf keinen Fall ein homosexueller Österreicher (Brüno) und ebenso wenig ein nordafrikanischer Diktator (Admiral General Hafez Aladeen). In all diese Rollen war Cohen in den vergangenen Jahren geschlüpft. Und blieb stets schamlos, provokant oder verstörend. Auch ziemlich lustig. Wagemutig. Konsequent. Und diese Komik hatte viel mit dem jeweiligen Gegenüber zu tun und dessen Reaktion auf die Begegnung mit dem schrillen Geschöpf.
„Der Spion und sein Bruder“ nun hat nichts Dokumentarisches mehr. Er ist ein richtiger Spielfilm und zu weiten Teilen sogar: ein Actionfilm. Wer ist Nobby? Und wer oder was Grimsby? Elton John hat auf seinem Album „Caribou“ von 1974 einen schönen Titel mit Namen „Grimsby“. Einige Zeilen gehen so: „Oh England you’re fair/But there’s none to compare with my Grimsby.“ Grimsby ist eine Stadt im Osten Englands, die mit dem umschlagsstärksten Hafen des Landes.
Viele Lebensmittelhersteller
Außerdem ist Grimsby „Europe’s food town“ wegen der vielen ansässigen Lebensmittelhersteller. Unter Elton Johns „Grimsby“-Perfomance auf YouTube bemerkt jemand: „Mind Blown!!! I’m local to Grimsby and can’t believe Elton sang a song about this shit hole!“ Und wenn man Grimsby nicht kennt, sondern sich jetzt „Der Spion und sein Bruder“ im Kino ansehen wird, dann muss man jenem Kommentar durchaus zustimmen. „Shit hole“, das trifft es schon irgendwie. Sacha Baron Cohen, gebürtiger Londoner, reist in „Der Spion und sein Bruder“ ins „scum“-Herz Englands. „Scum“ im Sinne von Abschaum.
Und so sieht es in Cohens Grimsby aus: Die Familien sind kinderreich, die Häuser in keinem guten Zustand, aber in der Küche dreht schon mal ein Dönerspieß. Die Babys gucken „South Park“, die Jugendlichen vermehren sich viel und freiheitlich, und alle sind verrückt nach Fußball. Nobby Butcher selbst sieht aus wie Liam Gallagher in Badelatschen. Die Britpop-Matte jedenfalls sitzt. Beim Fußballgucken im örtlichen Pub ist Nobby der, der sich hin und wieder eine Rakete in den Hintern steckt. So weit, so unmöglich, so liebenswert.
Aber Nobby Butcher trottelt mit einem Schmerz durch sein Grimbsy: Es ist die Sehnsucht nach dem vermissten Bruder Sebastian (Mark Strong). Bald dreißig Jahre hat er ihn nicht gesehen. Als Kinder wurden die „Grimsby-Boys“ getrennt. Sebastian wurde von einem piekfeinen Londoner Paar adoptiert, während Nobby im Ort verblieb. Mittlerweile ist Sebastian ein muskulöser, überpotenter Spion einer Spezialeinheit, das Gegenmodell von Nobby. Seine derzeitige Mission: Rhonda George (Penélope Cruz) zu überwachen, eine Charity-Lady, die wohl Böses im Sinn hat
Wie es der nicht allzu fordernde, aber rasante Plot wünscht, begegnen sich Nobby und Sebastian natürlich wieder. Und noch besser: Nobby darf an der Seite seines Bruders agieren, meint, die Mission ist fortan auch eine gemeinsame. Sie führt sie bis nach Südafrika, dann nach Chile (zur Fußballweltmeisterschaft, wo England im Finale gegen Deutschland antritt) und zeitweise sogar in eine Elefanten-Vagina. Denn dort verstecken sich die Grimsby-Brüder. Und werden dummerweise von einer Horde paarungsbereiter Rüsseltiere überrascht.
„The Brothers Grimsby“. Regie: Larry Charles. Mit Sacha Baron Cohen, Mark Strong.u. a.
GB/US · 2016, 82 Min.
Sowieso ist derartiger, ja, Geschlechtshumor in „Der Spion und sein Bruder“ eine große Sache. Das geht natürlich gar nicht – und das wirkt irgendwie befreiend. Gelegentlich darf auch ein subversiver Dreh nicht fehlen. Denn was wären Kriege ohne „working-class scum“? Oder die „The Fast and the Furious“-Filmreihe? Oder Sacha Baron Cohen?
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