Neue Kampagnen in Hamburg: Ein Recht auf Nicht-Information
Durch lobende Erwähnung auf Werbe-Screens will Bürgerschaft ehrenamtliches Engagement fördern. Eine Volksinitiative will diese Bildschirme nicht.
Locken soll die Aussicht auf etwas Ruhm. Eine 13-köpfige Jury wird ab August zwölf Monate lang je eine ehrenamtlich tätige Person auszeichnen, die dann auf den über die Stadt verteilten „digitalen Screens“ von Ströer vorgestellt wird. Die Firma ist Pächter der Werbeflächen und verfügt über rund 2.500 Stadtbildschirme, die auch das Wetter, Rätsel und Nachrichten zeigen.
Nett, dass die Firma das anbietet. Bewerbungen gehen direkt an stroerhilft@stroer.de. In der Jury sitzen auch Azubis, ein Regionalleiter, eine Grüne, ein Moderator, ein Fußballer und Leute von Hilfsprojekten.
Nun gibt es aber nicht nur an derlei Ehrenamts-Kampagnen Kritik, etwa derart, dass hier der Sozialstaat ersetzt wird oder übertrieben gelobt und eine ganze „Anerkennungskultur“ aufgebaut wird, wie der Soziologe Stefan Selke einst der Stuttgarter Zeitung sagte. Auch diese Sreens selbst stehen in der Schusslinie. Gerade erst stellte die taz die Volksinitiative „Hamburg werbefrei“ vor, die sie abschaffen will.
Nur noch Papier-Plakate
„Außenwerbung erzieht Menschen dazu, Fast Food und Fast Fashion zu konsumieren, nikotinabhängig zu werden und immer mehr Produkte zu wollen“, sagt Initiator Martin Weise. Er findet, die Ehrenamts-Initiative sei Schönfärberei. „Wer hat bei dem dadurch erzeugten Konsumstress noch Zeit und Aufmerksamkeit für sich und seine Mitmenschen?“, fragt der 36-jährige Pflegeassistent.
Vorbild für “Hamburg werbefrei“ ist die Initiative „Berlin werbefrei“, die sammelte schon über 40.000 Unterschriften und fordert, dass es nur noch Papierplakate geben soll, auch weil die Digitaltafeln Strom verbrauchen und Lichtverschmutzung erzeugen. „Es gibt im Grundgesetz auch die negative Informationsfreiheit. Das heißt, ich muss im öffentlichen Raum nicht in unzumutbarer Weise Informationen rezipieren“, sagt der Berliner Initiator und Jurist Fadi El-Ghazi.
Die taz hat eine Idee: Die Kritiker von „werbefrei“ sorgen sich um den öffentlichen Raum als Wohnzimmer aller Menschen. Ein tolles Engagement! Das gehört auf die Screens. Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich