Neue Gestaltung der Euro-Banknoten: Schöner Schein
Die EZB will die Euro-Banknoten neu gestalten lassen. Aber was soll da drauf? Das ist gar nicht so einfach. Denn wir haben keine europäischen Helden.
Euroscheine wecken bei den meisten Menschen bislang wohl kaum große Gefühle. Klar, es ist sehr gut, sie im Portemonnaie zu haben und im Zweifel noch mehr aus dem Automaten ziehen zu können. Aber wirklich verbunden fühlt man sich den Banknoten nicht. Geschweige denn, dass man sagen könnte, was darauf zu sehen ist. Irgendwas mit Gebäuden vielleicht?
An diese Wurschtigkeit will die Europäische Zentralbank nun ran. „Nach 20 Jahren ist es an der Zeit, die Gestaltung unserer Banknoten unter die Lupe zu nehmen und sie so zu gestalten, dass sich Europäerinnen und Europäer unabhängig von Alter oder Hintergrund besser mit ihnen identifizieren können“, sagt EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Menschen im gesamten Euroraum sollen beim Remake des Geldes mitreden, bis 2024 will die Bank die Scheinfrage entschieden haben.
Nur: Wer oder was würde sich als Motiv eignen? Der FDP-Politiker Moritz Körner hat am vergangenen Wochenende die Biontech-GründerInnen Uğur Şahin und Özlem Türeci ins Gespräch gebracht. Keine schlechte Idee, schließlich haben sie sehr vielen Menschen in Europa geholfen. Einige KollegInnen hier im Haus plädierten außerdem für Deutschlands Lieblingsvirologen Christian Drosten, samt Hinweis, nach dem Geldausgeben immer schön die Hände zu waschen. Ebenfalls im Gespräch: „Atomkraft? Nein danke!“ Am besten auf Französisch, damit die da drüben das auch verstehen. Oder – wir sind schließlich die taz! – Rudi Dutschke.
Wenn man aber ernsthaft über mögliche Motive nachdenkt, wird schnell klar: Es ist sehr schwer, europäische Figuren oder Symbole zu finden, auf die sich viele verständigen können, die den Menschen wirklich etwas bedeuten und die nicht nur für das Land stehen, aus dem sie stammen. Das ist auch der Grund, warum auf den jetzigen Scheinen nur fiktive Gebäude zu sehen sind: Kein Land soll sich benachteiligt fühlen. Im an Architektur reichen Europa zieren deshalb Torbögen und Brücken die Scheine, die es gar nicht gibt. Immerhin die Brücken wurden in einer niederländischen Stadt inzwischen nachgebaut.
Christine Lagarde sagt, die Banknoten seien ein „Symbol für den Zusammenhalt in Europa“. Die Motiv-Diskussion kehrt jedoch vor allem das Trennende hervor. Wir haben keine europäischen Helden. Gemeinsame Probleme gibt es, aber wer will beim Einkaufen schon die ansteigende Temperaturkurve oder die Fluchtrouten nach Europa sehen?
Vielleicht liegt die Lösung ganz nahe. Anders als die Scheine tragen die Euromünzen je nach Land ein eigenes Motiv. Eichenlaub und Brandenburger Tor gehen in Europa ebenso von Hand zu Hand wie die irische Harfe oder das Kolosseum. Die Münzen wandern über Grenzen und bleiben doch national geprägt. Das bildet Europa eigentlich am besten ab.
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