Neue Generation versus Springerkonzern: Wer bedroht hier die Demokratie?
Die Blockade einer Druckerei des Springerkonzerns wird als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert. Doch die wird von Springer selbst bedroht.
I m zweiten Versuch haben es die Klimaaktivist:innen der Neuen Generation doch noch geschafft: Wie die Polizei mitteilte, gelang es der Gruppe in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, mit vier Fahrzeugen drei Zufahrten zu einer Druckerei des Axel-Springer-Verlags in Spandau zu blockieren. Am vergangenen Sonntagabend hatte die Polizei eine solche Aktion noch verhindert. Nach Polizeiangaben begann die Blockade um kurz nach 23 Uhr, der letzte Aktivist verließ demnach um kurz vor 4 Uhr morgens selbstbestimmt das Dach des Blockadeautos. Die Auslieferung der Springer-Medien wurde durch die Aktion vermutlich nicht ernsthaft beeinträchtigt.
Die Aktivist:innen begründen ihr Handeln damit, dass der Springer-Konzern für eine „Allianz der Rechten und Reichen“ stehe, die „politische Einflussnahme“ unter „dem Deckmantel des Journalismus“ betreibe. Und sie haben recht damit: Wie kein zweites Medium agiert die Springer-Presse seit Jahrzehnten als reaktionäre Propagandamaschinerie.
Ihre Redakteure betreiben das Geschäft der Hetze: Sie stacheln die Bevölkerung gegen Minderheiten und progressive Bewegungen auf, um sie von den Verhältnissen abzulenken, die sie tatsächlich unterdrücken und ausbeuten. Immer wieder trägt diese Hetze zu einer gesellschaftlichen Atmosphäre bei, in der sich Gewalt Bahn bricht – ob nun bei Autoattacken gegen Klimaaktivist:innen, brennenden Flüchtlingsheimen oder dem Attentat auf Rudi Dutschke.
Springer gehört enteignet
Wer jetzt argumentiert, wie etwa ausgerechnet die Journalist:innengewerkschaft DJU, die neue Generation greife mit ihren Aktionen die Pressefreiheit an, stellt die Dinge auf den Kopf. Denn die Pressefreiheit existiert, damit die Bevölkerung Zugang zu vielfältigen und unabhängigen Informationen hat – und nicht, damit die Profit- und Machtinteressen des Springer-Konzerns die öffentliche Debatte dominieren können.
Das Problem ist nicht, dass Redakteure der Springer-Presse eine politische Linie vertreten. Es besteht vielmehr darin, dass sie mit unlauteren Mitteln und dem Appell an die niedersten Instinkte den Diskurs gemäß der Interessen der reaktionärsten Mächtigen und Reichen verzerren. Mit anderen Worten: Das Problem ist die Privatmacht von Menschen wie Springer-Chef Mathias Döpfner – nicht der zivile Ungehorsam dagegen.
Gemessen daran, was die Springer-Presse tut, ist die Neue Generation noch enorm zurückhaltend. Unter Verweis auf Gandhi lädt sie Döpfner zu einem konstruktiven Dialog ein, will mit ihm thematisieren, dass seine Zeitungen die AfD stärken. Man könnte das Problem auch anders angehen und grundsätzlich fragen, ob sich so eine mächtige Institution wie der Springer-Konzern in einer Demokratie wirklich in Privatbesitz befinden sollte. Denn an dieser Wahrheit hat sich seit der Studentenrevolte der 1968er nichts geändert: Springer gehört enteignet.
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