Neue DIW-Studie zu Gehältern: 1,8 Millionen ohne Mindestlohn
Auch im Jahr 2017 zahlten viele Firmen weniger als gesetzlich vorgeschrieben. Die Bundesregierung geht von weniger Betroffenen aus.
Das sei eine „konservative Schätzung“, so Grabka. „Hinzu kam rund eine halbe Million Beschäftigte, die in einer Nebentätigkeit weniger als den Mindestlohn erhielten.“ Insgesamt geht es um etwa 1,8 Millionen Arbeitskräfte, die zu wenig verdienten. Aktuellere Angaben als 2017 gibt es bisher nicht.
Sie stehen im neuen Wochenbericht des DIW, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Diese Zahlen widersprechen den offiziellen Erkenntnissen des Statistischen Bundesamts. Dort heißt es, dass 800.000 Beschäftigte „einen Stundenlohn von weniger als 8,84 Euro“ bekamen, „obwohl sie prinzipiell unter das Mindestlohngesetz fielen“. Die Angaben des Bundesamts beruhen auf Informationen der Unternehmen. Das DIW hat seine Zahlen dagegen ermittelt, indem es betroffene Arbeitnehmer direkt befragte.
Den gesetzlichen Mindestlohn gibt es hierzulande seit 2015. Seitdem wurde er zweimal angehoben. 2017 lag er bei 8,84 Euro brutto pro Stunde, jetzt beträgt er 9,19 Euro. Während sich die Auseinandersetzung früher darum drehte, ob das Gesetz Arbeitsplätze kostet, steht nun im Mittelpunkt, ob es eingehalten wird.
Vor allem in Bars, Restaurants und Hotels
Die Gefahr, zu schlecht bezahlt zu werden, ist laut DIW besonders in Bars, Restaurants und Hotels hoch. Aber auch Firmen des Einzelhandels, des Reinigungsgewerbes und der Leiharbeit verweigern vielen Beschäftigten den Mindestlohn. Leidtragende sind oft Frauen, Zuwanderer und junge Beschäftigte.
Die Zahl derjenigen, denen der Mindestlohn vorenthalten wurde, nahm im Vergleich zu den Vorjahren zu. Das kann damit zusammenhängen, dass Ausnahmeregelungen wegfielen, Firmen die Verbesserungen aber nicht an ihr Personal weitergaben.
„Die im Mindestlohngesetz vorgesehenen Kontrollen und Dokumentationspflichten sind zwingend erforderlich“, erklärte eine Sprecherin von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Regierung will unter anderem mehr Stellen für Kontrolleure beim Zoll schaffen. „Dass Deutschland zeitnah das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung umsetzt“, forderte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Der europäische Gerichtshof urteilte unlängst, dass Unternehmen die Arbeitszeiten ihres Personals komplett dokumentieren müssen. Dadurch gäbe es weniger Möglichkeiten, die Arbeitszeit hochzuschrauben und den Lohn unter den Mindestbetrag zu drücken.
Mehr Stichprobenkontrollen könnten die Lage verbessern. Allerdings dürften auch künftig viele Firmen mit der schlechten Bezahlung durchkommen. Die Beschäftigten beschweren sich nicht, aus Angst, den Job zu verlieren.
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