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Neue Brecht-VerfilmungSchlimmer geht immer

In Heinrich Breloers Dokudrama über das Leben Bertolt Brechts fehlt das Feuer. Und auch sonst hat die Verfilmung vieles missverstanden.

Spielt sein Ding runter: Tom Schilling als Bertolt Brecht im ersten Teil von Breloers Dokudrama Foto: Stefan Falke/WDR/dpa

Um Heinrich Breloers Zweiteiler über Brecht gerecht zu werden, erzählt man vielleicht erst mal einen Witz: In einer Folge der TV-Serie „Sopranos“ wird ein unsympathischer Mensch zu Grabe getragen. Die Stimmung ist schlecht, und Hesh Rabkin, der jüdische Ratgeber der Soprano-Familie, gibt zur Auflockerung den Schwank vom Rabbi zum Besten, der bei einem ähnlich unerfreulichen Begräbnis einigermaßen verzweifelt in die Runde fragt, ob denn nicht irgendwer wenigstens ein gutes Wort über den Verstorbenen sagen könne. Die Antwort, nach langem peinlichen Schweigen: „Sein Bruder war noch schlimmer.“

Fangen wir also mit dem weniger Schlimmen an: dem zweiten Teil über den alten Brecht, der zugänglicher, weil uns zeitlich näher ist – und der neben fast allen Defekten des ersten Teils auch Schönheiten aufzuweisen hat. So die Szene, als Brechts Witwe Helene Weigel, verkörpert von Adele Neuhauser, in einer Art psychotherapeutischen Sitzung Jahre nach Brechts Tod ihren tiefen Kummer über dessen manische „Weibergeschichten“ zu Protokoll gibt. Das sitzt. Da wird zum Erlebnis, zum Ereignis, zur tieferen Erkenntnis, was aus der überbordenden Brecht-Gedächtnis-Literatur hinlänglich bekannt ist.

Auch die Originalzeugnisse von Martin Pohl, Brechts Meisterschüler am Berliner Ensemble, der unter falschen Vorwürfen verhaftet und vom DDR-Regime fertiggemacht wurde, muss man gesehen haben – um zu verstehen, was eigentlich dieses sprichwörtliche Leben „in finsteren Zeiten“ Brechts bedeutet. Das Gesicht des alten Pohl (im Hintergrund ist ausgerechnet ein Gedichtband von Brechts Antipoden Gottfried Benn zu sehen), das Bild dieses kaputten Menschen – das erklärt das Dilemma des Künstlers, das Brecht mit Worten seinem Sohn Stefan einmal so nahezubringen versuchte: „die schwierigkeit bestand darin, dass die gesellschaft, den wunsch in uns erweckend, unempfindlich zu werden, zugleich die produktivität abhängig machte von der empfindlichkeit, d. h. der produktive hatte den preis der verletzlichkeit zu entrichten (sic!).“

Die Aufnahmen des unheilbar verletzten Pohl werden der nicht unerheblichen Frage gerecht, wie es der Mensch Bertolt Brecht überhaupt schaffte, angesichts des Horrors des Ersten und des Zweiten Weltkriegs, von Nazismus, Exil, Todesangst vor den stalinistischen Häschern, dauerndem ökonomischen Druck, US-amerikanischer Kommunistenhatz und so weiter, ein reiches Leben in so grauenhaften Zeitläufen zu führen. Martin Pohl schaffte es nicht. Und wir Heutigen in der gemütlichen Bundesrepublik ähneln, weil wir so gesichert sind, sehr viel mehr ihm als dem Vitalitäts- und Kreativmonster Brecht.

Spitzenensemble mit unterdurchschnittlichem Trainer

Diesem Monströsen kommt man mit Szenen, die sich fast durchweg auf „Terra X“-Niveau bewegen, jedoch nicht nahe. Man versteht angesichts des einfallslosen Gestopsels von Breloers Inszenierungen einfach nicht, warum Brechts Durchbruchsdrama „Trommeln in der Nacht“ oder der verkitscht dargestellte Welterfolg „Dreigroschenoper“ einst das Publikum in den Wahnsinn getrieben haben.

Dass Breloer die deutsche demokratische Revolution ein zweites Mal verrät, ist schon ein starkes Stück

Woran liegt das? Es kommt einem das Bild eines Spitzen­ensembles, sagen wir des FC Barcelona, in den Sinn, das von einem eher unterdurchschnittlichen Bundesligatrainer, sagen wir Thomas Doll, trainiert wird. Ein schwacher und gleichzeitig eitler Spielleiter unterschätzt, dass auch Spitzenleuten Spitzenleistung immer neu und mit maximalem Einsatz abgefordert werden muss. Tom Schilling als junger Brecht spielt sein Ding aber, abgesehen von einer sehr schön zynisch-verzogenen Unterlippe, auf der linken Gesäßbacke runter. Die Frauen werden hübsch hingestellt und abgefilmt.

Steckt dahinter Absicht? Sollte hier Brechts Methode des epischen Theaters reproduziert werden, die Verhinderung von Einfühlung? Dann wäre ein Uraltmissverständnis der Epigonen im Umgang mit Brecht zu konstatieren. Denn dessen Schauspielkunst ist maximal sinnlich – die große Kühle, die er so schätzte, kann sich nur erlauben, wer brennt. „Feuer und Kühle, Lockerheit und Exaktheit“, das macht mit seinen Worten Kunst aus. Und davon gibt es bei Breloer zu wenig.

Die Doku

„Brecht” (Teil 1): „Die Liebe dauert oder dauert nicht“; Mittwoch, 27.3.2019, 20.15 Uhr, Das Erste

„Brecht“ (Teil 2): „Das Einfache, das schwer zu machen ist“; Mittwoch, 27.3.2019, 21.45 Uhr, Das Erste

Ist dieser Brecht-Film also ästhetisch gescheitert, so wird er im Off-Kommentar – neben Spielszenen und Filmdokumenten die dritte von Breloers Techniken – auch inhaltlich unappetitlich. Wenn es etwa zur Revolution 1918/19 heißt, die junge Weimarer „Republik, geführt von den Sozialdemokraten, ruft das Militär zur Hilfe“ gegen die radikale Linke. Genau – und ein gutes Jahrzehnt später ruft dann Hindenburg die Nazis gegen die Kommunisten zur Hilfe, das Ergebnis ist bekannt.

Dass Breloer die deutsche demokratische Revolution ein zweites Mal verrät, nachdem seine sozialdemokratischen Helden Ebert und ­Noske die protofaschistischen Freikorps­schlächter zu Hilfe gerufen haben, ist schon ein starkes Stück. Man fragt sich nicht nur an dieser Stelle, was eine immerhin fünfköpfige Redaktion wohl sagt, wenn sie für teuer Geld ein so fatales Produkt geliefert bekommt. Vielleicht ja so etwas wie: Andere Filme waren noch schlimmer?

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16 Kommentare

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  • Richtig, der zweite Teil ist besser, auch und gerade wegen der Besetzung. Auch aber, weil es hier um Politik, um Brechts Handeln in der DDR geht. Der erste Teil ist dagegen auf Soap-Niveau und der Hauptdarsteller als Dichter unglaubhaft. Breloer hat da früher allerdings besseres geliefert - sein 'Alterswerk' - gerade verlichen mit Wehner - einfach peinlich....

  • Stimmt.

    “Schlimmer geht immer



    In Heinrich Breloers Dokudrama über das Leben Bertolt Brechts fehlt das Feuer. Und auch sonst hat die Verfilmung vieles missverstanden.…“

    Genau. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen.

    unterm——Liggers—-remember—-



    ”…Waibel studierte Germanistik und Italianistik in München, Marburg und Venedig. …“ Ahja.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Germanistik in Marburg in einem Kontext gegen Qualität: das höre ich zum ersten Mal.

      Und hoffentlich auch zum letzten Mal.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Wie meinen - ahl Hessebub^¿*

        Daß aber eine “Verfilmung etwas mißverstehen kann“. Newahr.



        Hätte nicht nur bei allen meinen Deutschpaukern - Ein “A“ - in sehr groß



        &



        In selbiger Größe & ebenfalls in rot - Ein Kreuz am Rand - öh gezeitigt; (um nicht “gesetzt“ zu mißbrauchen;)( Gelle.



        Normal - Schonn - hm*¿* …servíce.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Ein gefundenes Fressen. Zu Recht ... Für die aber die geliebte Stadt unserer Studentenzeit nichts kann.

          Ansonsten: ungeteilte Zustimmung.



          Und Dank für die Brösel-ei am anderen Ort.

          Tschö mit ö.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Tja - Wo einst sich Hannah & ihr Martin küßten (sei Olle viel später kam zu ehrn - giftig Wüßten!) & Wie Fein!



            Für Lahnziegereiten gab‘s nen Schein: DochDoch: Solange volltrunken singen - Egal welcher Reim Gelle bis die Bullerei Schritt ein!;))



            &



            A Professorenwitwe - Ein Schwimmbad



            Auflage: - Kein Puff in Mbg/L - wie fad!;)



            & Däh zum End — a weng verpennt -;)



            Wo der Hund, der bei Abendroth bellte! & es gab noch niche mal Schelte! Gelle.



            Nein - aber weil ihn doch jeder kannte.



            Wenn er blasiert am Markt - im Schritt! Die Barfüßer querte. Nie etwa rannte!



            Der Verehrte. Dann - allinallem = Quitt!

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @Lowandorder:

              Mit dem früheren Luisabad haben Sie es wohl? Ist ja eine schöne Geschichte - auch wahr??? Kein Puff in Marburg, jedenfalls nicht in der Kernstadt. Seit gut zwanzig Jahren ist das Bad - wenigstens an dieser Stelle - weg.

              Wo ich als lockiger Knabe Montags morgens vor Unibeginn meine Haare wusch. Weil ich ein Zimmer ohne Dusche hatte. Heute undenkbar.

              Eine Erschwernis, die meiner Körperhygiene ein Semester lang - allenfalls rudimentär - schadete. Wir reden von den Zeiten vor der flächendeckenden Einführung von Düften für die Herren der Schöpfung.

              • 8G
                88181 (Profil gelöscht)
                @76530 (Profil gelöscht):

                "Kein Puff in Marburg, jedenfalls nicht in der Kernstadt"

                Also am Ende der Neuen Kasseler war da so ein Haus.....hab ich gehört...

                • 7G
                  76530 (Profil gelöscht)
                  @88181 (Profil gelöscht):

                  Selbst niemals Puffgänger, auch davon gehört. Weiter draußen near EKZ Wer da? siedelte sich in den 1980ern gen Cölbe noch ein Etablissement an ...

                  Ich zitier ja nur - wie unser drittes Blatt formulieren würde ...

              • @76530 (Profil gelöscht):

                Jung. Da schwamm ming Daughter einst mit Emma - & nicht Piel.



                Die ihr davor ja schon so gut gefiel.



                Weil - als sie ihr die Tageszeit entbot.



                Ihr die Metal-Schippe durchs Gesicht ihr zog.



                Sojet Kind - bärbeißig in der Ecke Krötighockend sie noch nicht kannte.



                Und erst die very britishmother - die sie partout Emma nannte.



                Ha no. Jojo. Gemildert nur Sarah.



                Ja das war so was von wunderbraa.



                Diente meiner doch ne Kiste als



                Gemüsehandeltheke - ja wie klar?!



                Nur brauchte es ca 4 Wochen.



                Bis british Sarah Emma durchs Gehirn gekrochen - daß man Kartoffelverkauf:



                Omanoman - ooch ohne Kartoffeln spielen kann…& …



                's war ne Mordsgaudi - na&wie!!hernd -



                Ich lachte - während ich mich über meine Refi-Akten machte.

                unterm— klar schlimmer geht immer.



                Bei Frau Kutscher Am Grün 3 unterm Dach juché - Dusche? A geh - nimmeme



                & btw & Gelle -



                Das schöne an Legenden.



                Is doch - daß sie nimmer enden.



                &



                Zum Wirtshaus an der Lahn-Desaster



                Im Lahntal & sojet fei - ApartmentPuff



                Ein ander mal. 💤💤💤 & Uff …

                • 7G
                  76530 (Profil gelöscht)
                  @Lowandorder:

                  Auch wenn ich allenfalls 5 Prozent verstanden habe: Ergebensten Dank für die wundervolle Poesie.

                  Das Schöne an Legenden



                  is doch - dass sie nimmer enden.

                  Wie wahr, wie wahr.



                  Nicht nur in Panama.

                • @Lowandorder:

                  Däh! So ham‘ers noch gekannt - Gelle.

                  im Wirtshaus an der Lahn da halten alle Sänger an. - Marburg ...



                  images.app.goo.gl/BmHygJJJgktQFZrn9

                  & so (?) leider auch - Ratsherrenscheiße



                  Bild 5 aus Beitrag: Fast schon vergessene, einst gastliche Orte



                  images.app.goo.gl/3EgxfaKEdNFCCybX7 in Beton & “erst Alfredo - dann Bruno - dann ich - dann du…“ zitier nur

                  & jetzt aber 💤💤💤 & was later - ☕️

                  • 7G
                    76530 (Profil gelöscht)
                    @Lowandorder:

                    Bild 1 leider selbst (1972 nach MR gekommen) leider nie erlebt.

                    Bild 2 - unerwünscht - dafür umso öfter.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Ich wusste nicht einmal, dass es Italianistik gibt.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Genau - Wo bleibt das Positive^¿* Wo?



        Ha no. Na bitte - da doch scho.



        Normal.

  • - gut dargestellt.



    Das öffentlich-rechtliche TV hatte einmal gute Dokumentar-Filmer - diese Zeiten sind längst vorbei. Und auf den Hund bzw. auf den Breloer gekommen.