Neue Beschwerdestelle in Hamburg: An der kurzen Leine
Hamburgs Polizei hat eine neue Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten eingerichtet. Diese ist extern gelegen. Aber nicht unabhängig.
Niemand hat ein größeres Interesse als die Polizei selbst, Fehlverhalten in den eigenen Reihen festzustellen“, sagt Herr Grote. Eine unabhängige Beschwerdestelle braucht es deshalb nicht aus Sicht des Hamburger Innensenators.
Logisch: Wenn es tatsächlich niemand Interessierteren gibt im ganzen großen Lande, dann sollte man diesem Interessiertesten die Sache doch überlassen, oder nicht? „Niemandem liegt mehr an meiner Familie als mir“, sagt der Familienvater. Deshalb lässt man auch ihn am besten selbst regeln, was für Probleme auch immer es gibt mit den frechen Gören und dem liederlichen Weib. Diese Einstellung ist übrigens immer noch aktuell: „Die Eltern wissen immer noch am besten, was für ihre Kinder gut ist.“ Die Kinder – das sind wir. Die Polizei – das ist Vater Staat.
Im Innenverhältnis sind natürlich auch Polizist*innen ähnlichen Strukturen unterworfen. Aber wo es aktuell ein paar öffentlich gewordene Missstände in den Reihen der Familie gibt, wo ihr Ruf bedroht ist, da entschließt sich der Vater zu handeln, denn niemand hat, ganz sicher, ein größeres Interesse daran als: der Vater.
Eine externe und zentral gelegene Niederlassung der Beschwerdestelle, die eine geschützte Kontaktaufnahme ermöglicht, soll jetzt also in der Hamburger Innenstadt eingerichtet werden. Auch bisher gab es schon eine Beschwerdestelle, aber die Adresse lautete: Bruno-Georges-Platz 1, Hamburgs Polizeipräsidium.
ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Sicherheitszone“ ist im August bei Rowohlt Berlin erschienen.
Schriftlich oder telefonisch konnte man sich da beschweren. „Als Verfasserin/Verfasser erhalten Sie von der Polizei gerne eine Antwort auf Ihren Dank, Ihre Anregung oder Ihre Beschwerde“, heißt es auf der Internetseite polizei.hamburg. Weiter hat man immer noch die Möglichkeit, Polizist*innen direkt anzuzeigen – bei der Polizei. Oder eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen – bei der Polizei. Nun, in Zukunft aber kann man von der „geschützten Kontaktaufnahme“ Gebrauch machen.
Ich spaziere also zukünftig in diese Beschwerdestelle hinein, Maske auf, Sonnenbrille, und bringe meine Beschwerde vor – bei der Polizei. Aber einer anderen. Nicht der am Bruno-Georges-Platz, sondern der in der Innenstadt.
Und damit die Unabhängigkeit und Anonymität gewahrt ist, ist diese andere, vom Bruno-Georges-Platz 1 unabhängige Polizei, direkt beim Unabhängigsten und – nach Senator Grote – am zweitmeisten an der Feststellung polizeilichen Fehlverhaltens Interessierten „angebunden“ – Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Wie die dann in dieser Beschwerdestelle arbeitenden Polizist*innen beim Polizeipräsidenten „angebunden“ sein werden, was dieses „Angebundensein“ eigentlich bedeutet, das weiß ich nicht. Es ist ja auch noch nicht so weit.
Es gibt auf die Pressemeldungen dazu jedenfalls schon jetzt einen ganzen Haufen Empörter. Die einen beschweren sich darüber, dass diese neue Beschwerdestelle gar nicht unabhängig sei, weil sie ja eine Beschwerdestelle der Polizei sei. Haben sie denn nicht verstanden, dass es sich um eine ganz andere, eine unabhängige Polizei handelt, die nur beim Polizeipräsidenten angebunden ist? (Mittlerweile scheint mir eine kleine Schnur oder eine Hundeleine im Spiel zu sein.)
Und die anderen, die mir etwa in der Zeitung Die Welt fast die Mehrzahl zu sein scheinen, beschweren sich darüber, dass es überhaupt eine Beschwerdestelle geben soll, denn eine Beschwerdestelle stelle eine Beleidigung von Polizist*innen dar, die über jeden Zweifel erhaben seien, und wenn doch mal nicht, dennoch in sämtlichen Handlungen im Recht, weil sie ja „nur noch angespuckt“ würden.
Als meine kleine Schwester mich dazumal angespuckt hat, habe ich sie auch blutig geschlagen, mein Vater hatte vollstes Verständnis. „Dir fehlt Respekt“, hat er meiner kleinen Schwester gesagt und sie im Kartoffelkeller eingesperrt, damit sie eine Lehre draus zieht. Als sie sich dann bei ihm beschwert hat, hat er sie gleich noch mal eingesperrt und sie sich selbst angezündet, aber das ist eine andere Geschichte und hat damit nichts zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!