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Neue Berliner Stratgie beim ImpfenLetztlich zählt nur das Ergebnis

Kommentar von Stefan Alberti

Menschen den Impfstoff hinterhertragen zu müssen nervt. Doch das ist zweitrangig – entscheidend sind mehr Impfungen. Ein Wochenkommentar.

Der Weg zum Impfen soll kürzer werden, die Quote der Erstimpfungen auf 80 Prozent steigen Foto: dpa

D ezentrale Impfstellen in die Kiezen, etwa in Famiienzentren, und aufsuchende Angebote sollen nun also helfen, die Quote bei den Erstimpfungen in Berlin auf 80 Prozent zu hieven. So hat es am Dienstag Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) angekündigt, die dabei den Blick auf große Gruppen mit Migrationshintergrund in Neukölln, im Wedding und in Spandau/Heerstraße Nord richtete.

Das kann gleich Zweierlei auslösen. Zum einen die Frage: Wenn das so klar ist, dass dort noch das größte Potenzial an Menschen ist, die zwar skeptisch, aber keine Coronaleugner, warum gibt es dort in den Familienzentren, die es nun richtig sollen, nicht schon seit Monaten kleine Impfstellen und zwar dauerhaft und verlässlich? Zweitens ein Gefühl des Genervt-Seins: Wieso muss man Menschen – ausgenommen Alte und Kranke – eine Sache hinterher tragen, die, wenn schon nicht eine Frage der Solidarität, dann doch des Eigenschutzes sein sollte?

Von Zeitmangel ist entschuldigend immer wieder die Rede, von mangelnder Aufklärung, von Distanz zu Ämtern und Ärzten. Zeitmangel? Bei einstmals sechs großen Impfzentren samt vielen Arztpraxen? Es geht doch nicht darum, jemanden zum Blumengießen während des Urlaubs zu finden, sondern die größte Pandemie seit Menschengedenken einzudämmen.

Distanz? Auch hier gilt: Will ich mich und andere schützen oder meine persönliche Gefühlswelt auf Kosten anderer ausleben? Und von mangelnder Aufklärung kann angesichts von Corona-Infos auf schier allen Kanälen und in vielen Sprachen auch nicht die Rede sein.

Kurzum: Es nervt, Impfstoff, für den andere stundenlang angestanden haben – und sei es aus reinem Eigensinn und nicht zum Schutze Anderer – nun anpreisen zu müssen wie Restposten. Es nervt mit Quasi-Frei-Haus-Lieferungen jene zu belohnen, die bislang null Interesse an einer Impfung als Akt der Solidarität zeigten.

Genervt sein allein hilft nicht

Doch was hilft es, bloß genervt zu sein? Nichts. Gar nichts. Natürlich wäre es schön, besser und Labsal für den Glauben an Gemeinsinn, wenn sich alle vor Solidarität und Hilfsbereitschaft überschlagen würden. Aber das ist eben nicht so, das ist einfach Fakt. Da mag man sich ärgern, aber am Ende zählt nur eins: Dass die Impfung mehr Menschen erreicht, egal wie. Darum ist der dezentrale Impf-Ansatz richtig – und bleibt hoffentlich nicht bloß eine bloße Idee wie in der Vergangenheit.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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