Neue Auflagen für Tierhaltung: Wenn der Hund mit Anwalt droht
Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) möchte das Leben von Hunden verbessern. Weil die sich für Sommerloch-PR eignen?
Kleiner Geschäftstipp von Ihrem Lieblings-Service-Magazin taz zwei: Gründen Sie doch einen Hundeausführ-Service! Jetzt! Die Voraussetzungen sind gerade optimal.
Im Frühjahr während der Coronakrise meldeten Hundezüchter eine Rekordnachfrage nach den haarigen Begleitern, während nun Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eine Verordnung ankündigt, die vorschreiben soll, diesen dann auch zweimal am Tag für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien zu gönnen.
Da dürfte manch Frauchen froh sein, wenn es den Frischluftaufenthalt delegieren und sozusagen zertifiziert nachweisen kann, falls der missgünstige Nachbar es beim Amt anschwärzt.
Die Freilaufpflicht ist nicht die einzige vorgeschlagene Neuerung. Weitere Regeln betreffen verschärfte Vorgaben bei der Haltung in Zwingern und zur Zucht – so sollen Züchter nur noch fünf statt bisher zehn Hunde pro Person betreuen dürfen, eine Person muss täglich nach den Tieren sehen, den Hunden muss im Zwinger außerhalb der Schutzhütte ein eigener Liegeplatz zur Verfügung stehen, und Welpen sollen in den ersten Lebenswochen mindestens vier Stunden täglich Menschenkontakt haben, damit sie sich an das merkwürdige Wesen auf zwei Beinen gewöhnen.
Manchen wird es überraschen, dass das überhaupt noch erlaubt ist, aber nun soll auch die Anbindehaltung, also der berüchtigte Kettenhund, tatsächlich endgültig verboten werden.
Tierschutz kostet Geld
Das ist alles gut und richtig. Erwartungsgemäß fordern Tierschützer mehr, während zuständige Behörden reserviert reagieren, weil sie ausufernde Nachbarschaftsstreitigkeiten um Gassifrequenzen fürchten und die Vorgaben bei privaten Haltern ohnehin nicht kontrollieren können.
Aber allein die Signalwirkung könnte Gutes bewirken, denn dass es immer noch massive Tierschutzprobleme im Umgang mit den Lieblingstieren der Deutschen gibt, ist unbestritten. Manchem Halter ist vermutlich bislang nicht einmal bewusst, dass es kein übertriebener sportlicher Ehrgeiz der anderen Hundefreunde ist, regelmäßig rauszugehen, sondern tierpflegerische Notwendigkeit.
Und auch wenn natürlich kein Amtsveterinär zukünftig mit der Stoppuhr hinter dem Herrchen herlaufen wird, könnten die Vorgaben den Behörden helfen, etwa bei Streitigkeiten, was denn nun angemessen ist.
Dabei gilt natürlich schon jetzt nach Tierschutzgesetz, dass jedes Tier seinen Bedürfnissen entsprechend gehalten werden muss. Solange die Behörden personell nicht besser ausgestattet werden, um diese Vorgaben auch umzusetzen, bleiben aber alle Vorschriften zahnlose Hunde. Tierschutz kostet eben Geld.
Das gilt erst recht für das übliche Zweiklassensystem zwischen Heim- und Nutztieren. Hunde gehen immer, da ist der Beifall für ein paar politische Streicheleinheiten rasch eingeheimst. Aber Hühner laufen ebenfalls gerne herum, und eine Stunde Auslauf würde dem Schwein bestimmt auch gefallen. Gleiches Recht für alle, könnte man da guten Gewissens fordern.
Ein politischer PR-Gag
Dann allerdings würden die Preise für das Schnitzel so saftig, wie das Fleisch aus der Massentierhaltung niemals ist. Statt also in der Nutztierhaltung mit klaren Vorschriften für tierwürdige Haltungsbedingungen zu sorgen, belässt Klöckner es hier bei windelweichen Wohlfühlansagen, die der institutionalisierten Tierquälerei in großen Teilen der Landwirtschaft nichts entgegensetzen. Da wird der Kettenhund der schärferen Vorschriften noch lange nicht von der Leine gelassen.
Auf der anderen Seite bleibt anzumerken: Freilauf heißt nicht frei herumlaufen lassen. Während Hundebesitzer gezwungen werden müssen, ihre Tiere überhaupt mal an die frische Luft zu bringen, lassen Katzenhalter ihre Lieblinge einfach unkontrolliert draußen herumtigern und nach Belieben Vögel, Kleinsäuger und Eidechsen töten. Das ist nicht nur ein Tier-, sondern auch ein Artenschutzproblem.
So ist der Klöckner’sche Vorschlag insgesamt letztlich eher ein PR-Gag zum ausgehenden Sommerloch. Während nicht zuletzt wegen der Corona-Ausbrüche in der Fleischindustrie zunehmend ganz grundlegend über die Zukunft der Tierhaltung nachgedacht wird, kommt das Ministerium mit Kuschelvorschriften für ein paar niedliche Hundewelpen daher, die kaum jemandem wehtun. Da wird doch das Huhn in der Pfanne verrückt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen