piwik no script img

Neue Ära in Timor-LesteDer asiatische Che Guevara tritt ab

Xanana Gusmao, der jahrelang für die Befreiung seines Landes von der Herrschaft Indonesiens gekämpft hat, tritt als Regierungschef zurück.

Politikmüde: Xanana Gusmao tritt von seinem Amt als Regierungschef zurück. Bild: ap

BERLIN taz | Xanana Gusmao will nicht mehr. Am Freitag hat die Regierung in Dili den Rücktritt des 68jährigen vom Posten des Premierministers angenommen. Damit geht eine Ära in Timor-Leste zuende - dem jüngsten Staat Asiens, der vor der Unabhängigkeit 2002 als Osttimor bekannt war.

Der letzte prominente Führer des langen und bitteren Kampfes für eine Befreiung von indonesischer Herrschaft will seinen Job an die "jüngere Generation" abgeben, wie die Regierung auf ihrer Webseite mitteilte. Sie soll in der kommenden Woche umgebildet werden.

Eigentlich hatte Gusmao schon immer erklärt, dass er nicht für die Politik gemacht sei. Er wolle lieber Gedichte schreiben. Da war der Mann mit dem attraktiv herausfordernden Blick und dem welligen Haar unter dem Barrett des Freiheitskämpfers längst eine Legende im eigenen Land. Er wirkte wie eine asiatische Version Che Guevaras, und seine Anhänger trugen sein Bild auf ihrem T-Shirt.

Seit Mitte der siebziger Jahre kämpfte er 17 Jahre im Untergrund, kam dann für fast sieben Jahre ins Gefängnis und in Hausarrest. Als die Osttimoresen sich - unter der Ägide der UNO - im Jahr 1999 für die Unabhängigkeit aussprachen und es daraufhin zu blutigen Racheaktionen pro-indonesischer Milizen und indonesischer Militärs kam, setzte sich der inzwischen freigelassene Gusmao für einen friedlichen und diplomatischen Übergang ein.

Neuanfang nach Amnestie

Was vielen seiner Weggefährten missfiel: Gusmao sprach sich für eine Amnestie aus, um dem jungen Staat einen Neuanfang mit dem mächtigen indonesischen Nachbarn zu ermöglichen.

Das Land, für das der Sohn portugiesisch-timoresischer Eltern so lange gekämpft hatte, ist ein winziger Flecken im Pazifik, ein Halbinselchen von der Größe Schleswig-Holsteins weit im Osten des indonesischen Archipelagos.

Einst hatten es die Portugiesen als Stützpunkt ihrer Handelsmarine genutzt und als Rohstoffquelle ausgebeutet. Die Europäer versorgten sich hier mit Marmor und Holz, bauten etwas Kaffee an und schickten ihre katholischen Missionare.

Nach der Nelkenrevolution im Mutterland 1974 erklärte sich Osttimor - nach heftigen internen Kämpfen kurzfrstig für unabhängig. Darauf marschierte das indonesischen Militär ein. Aus der ehemaligen portugiesischen Kolonie wurde nun indonesisch besetztes Territorium.

Die Rebellionen und der Widerstand der rund eine Million Bewohner Osttimors war für die Herrscher in Jakarta so irritierend wie ein "Kieselstein im Schuh", sagte Indonesiens damaliger Außenminister Ali Alatas einmal. Zu jenen, die sich dem harschen Regime nicht fügen und den Besatzern Schmerzen bereiten sollten, gehörte der junge Staatsangestellte Gusmao, den seine Lehrer-Eltern Jose Alexandre genannt hatten. Gusmao zog Xanana vor, nach der amerikanischen Rock and Roll Band "Sha Na Na".

Obwohl Osttimor so klein ist, lebten dort traditionell isolierte Clans und Volksgruppen, die verschiedenen Sprachen sprachen, ihre eigenen Rebellenarmeen gründeten und sich zeitweise auch bekämpften. Die wichtigste wurde die Fretilin, der sich der junge Gusmao 1975 anschloss, die er aber in den 80er Jahren wieder verließ. 2002 wurde Gusmao erster Präsident des unabhängigen Timor-Leste. 2007 trat er nicht wieder an, das Amt übernahm Friedensnobelpreisträger Jose Ramos-Horta, während Gusmao nach heftigen internen Auseinandersetzungen Ministerpräsident des Landes wurde.

Heute ist Timor-Leste immer noch das ärmste Land Asiens (mit Afghanistan), 80 Prozent seines Einkommens stammen aus Öl- und Gasvorkommen im Meer, um die es sich mit seinen australischen Nachbarn und Geschäftspartnern streitet. Xanana Gusmao selbst, der einst davor warnte, dass Politik korrumpiere, steht heute selbst im Verdacht, in seiner Politikerkarriere nicht ganz sauber geblieben zu sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Lang lebe Xanana! Und alle Menschen in Osttimor!

  • Eine Kerndilemma dieser Vertikalmacht-Welt: Solche, deren Gewissen noch nicht zum totalen Ego(gewalt- und anhäuf)trip – „ich habe Macht, also bin ich“ – pervertiert ist, treten (rechtzeitig) ab. Und (diametralerseits) je fieser-skrupelloser, desto stärker klammern sie sich an.

  • ja , kann mich erinnern, speziell die Australier waren für die Unabhängigkeit und der Bischof mit dem Nobelpreis war ein grosses Plus, nach der Unabhängigkeit kam es zu Unruhen, 500!! UN Mitarbeiter, naja, verliessen fluchtartig das Land, die Australische Armee wurde Schutzmacht, Australien beutet nun die Bodenschätze im Meer aus, da de Ost Timoresen jetzt unintressant sind für die Weltöffentlcihkeit, können dei Australier da unten schalten und schalten, ganz nach Belieben!

  • Schön, dass hier auch über Timor-Leste berichtet wird! :-) Allerdings finde ich es sehr schade, dass die Akzente auf dem Namen José Aexandre Gusmão einfach ignoriert werden. Diese gehören zum Namen, sind wichtig für die Aussprache. Hier werden ja auch beim Namen "Müller" nicht die Ü-Punkte weggelassen.

    • @alter_alex:

      Haha, Alexandre meine ich natürlich :)