Austausch über neues Baugesetz: Bauturbo in der Praxis
Der Bauturbo wird begleitet von einem Umsetzungslabor. Kommunen und Zivilgesellschaft sollen sich über Probleme in der Praxis austauschen können.
Wenn Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) auf seine Stadt schaut, dann sieht er „richtig Stress im System“. In Kiel sei der Wohnungsmarkt sehr angespannt. Das zeige sich in mehr Obdachlosigkeit, aber auch daran, dass Menschen nicht mehr das fänden, „was zu ihrem Leben passt“ – zu teuer, zu wenig Wohnungen, die Probleme vieler Städte sind bekannt.
Wohnen, sagte Kämpfer am Montag in Berlin, sei „ein existentielles Thema“ und auch eine der wesentlichen Fragen, wenn man sich frage, warum mehr Menschen das Vertrauen in die Demokratie verlören.
Ende Oktober 2025 ist das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ in Kraft getreten, besser bekannt als Bau-Turbo. Bauen soll damit schneller und unbürokratischer werden – das ist das Versprechen.
Es ist bisher das wichtigste Vorhaben, das Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) in ihrer Amtszeit auf den Weg gebracht hat. Entscheidet sich eine Kommune, den Bauturbo anzuwenden, kann sie einem Bauvorhaben innerhalb von drei Monaten zustimmen – und auf langwierige Bebauungspläne verzichten.
Bauturbo vs. demokratische Prozesse und Klimaschutz
Doch der Bauturbo wird auch kritisiert: manche machen sich Sorgen, dass dadurch demokratische Prozesse und Klimaschutz ausgehebelt werden. Die deutsche Umwelthilfe beklagt zum Beispiel, dass soziale Vorgaben fehlen und das Gesetz das Bauen im sogenannten Außenbereich ermöglicht– also in Bereichen, die eigentlich nicht bebaut werden sollen.
Der Bauturbo soll nun in der Praxis bis März 2026 von einem Umsetzungslabor begleitet werden. Dadurch soll der Austausch zwischen den Kommunen ermöglicht werden. Koordiniert wird das von der Bauwende Allianz, getragen von ProjectTogether, und wissenschaftlich begleitet vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu).
Das erste Auftakttreffen des Umsetzungslabors fand am Montag in Berlin statt. „Das Dach über dem Kopf ist ein Grundbedürfnis und ein Grundrecht“, erklärte Bundesbauministerin Verena Hubertz. Man müsse „schneller ins Bauen kommen.“
Neben der Bundesbauministerin waren Bürgermeister:innen und Vertreter:innen aus den Kommunen, Verwaltung, Zivilgesellschaft und der Wirtschaft da. Gut 100 Teilnehmer*innen versammelten sich vor Ort, rund 1.600 Menschen waren digital zugeschaltet.
Wohnhäuser statt Weinberge?
So auch Patrick Kunkel (CDU), Bürgermeister von Eltville am Rhein.Auch in seiner Region gäbe es großen Wohnungsdruck, bei den Grundstückspreisen kämen „einem schon die Tränen“, sagt er. Das sei eine soziale Frage, die gelöst werden müsse.
Eltville sei aber von Weinbergen umgeben, zentral sei deshalb die Frage „wieviel Kulturlandschaft dürfen wir vernichten mit Wohnbau.“ Für die hessische Stadt Eltville scheide das Bauen im Außenbereich aus, es müsse um Wohnraum in der Stadt gehen, um aufstocken, nachverdichten und sanieren, erklärte Kunkel. Man müsse Stadtentwicklung vor allem als Klimaanpassungspolitik denken.
Für Bürgermeister Ulf Kämpfer aus Kiel sind auch die städtischen Randlagen „sehr interessant.“ Kämpfer würde gern „die ganze Klaviatur spielen.“ Das Bauen in zweiter Reihe auf großen Siedlergrundstücken sei momentan noch viel zu aufwändig. Der Bauturbo könne ermöglichen, dass dort gebaut wird. Das gleiche gelte auch für die Aufstockung.
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