Netanjahu strebt Neuwahl in Israel an: Neue Chance schon im April
Premier Benjamin Netanjahu will seine knappe Mehrheit möglichst schnell ausbauen – wohl auch weil wegen Korruption gegen ihn ermittelt wird.
Noch vor vier Wochen hatte es Netanjahu gar nicht eilig mit Neuwahlen, sondern warnte nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister Avigdor Lieberman die Koalitionspartner: „Wir befinden uns in einer besonders komplexen Sicherheitslage. In solchen Zeiten stürzt man keine Regierung.“ Dann jedoch konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Die knappe Mehrheit der Koalition von nur 61 der insgesamt 120 Parlamentsmandate mache eine Fortsetzung seiner Regierungszeit unmöglich, und die Sicherheitslage sei nun, da die israelische Armee an der Grenze zum Libanon mehrere Tunnel der Hisbollah zerstört hat, auch kein Hinderungsgrund mehr für vorgezogene Wahlen.
Was ihn tatsächlich zum Umdenken motiviert haben dürfte, ist, dass mehrere führende Mitarbeiter im Justizministerium dafür plädieren, Netanjahu in mindestens zwei Korruptionsfällen vor Gericht zu stellen.
„Faszinierend“, so schreibt Sima Kadmon in der Zeitung Jediot Achronot, „wie plötzlich sich die Realität verändert, sobald persönliche Interessen ins Spiel kommen“.
Die Opposition begrüßte die Entscheidung für vorgezogene Neuwahlen. „Zum ersten Mal stimmt die Knesset für ein gutes Gesetz“, resümierte Mossi Raz von der linksliberalen Meretz die ausgehende Regierungszeit, die weder das Ende der Besatzung noch die Zweistaatenlösung näher gebracht habe. Der sozialdemokratische Abgeordnete Eyal Ben-Reuven von der Zionistischen Union pfiff gleich den Wahlkampf an: Die Auflösung der Knesset sei eine Chance, um „den Schaden“, den Netanjahus Regierung „der Demokratie und Gleichberechtigung“ in Israel angetan habe, zu beheben.
Mehrere Umfragen deuten darauf, dass der Likud und mit ihm Netanjahu die kommenden Wahlen mit großem Abstand gewinnen wird. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit wird, so die allgemeine Annahme, seine Entscheidung für eine Anklage Netanjahus verzögern, um den Ausgang der Wahlen abzuwarten.
Netanjahus Rechnung, Zeit zu gewinnen, dürfte damit aufgehen. Als Regierungschef ist er nicht dazu gezwungen, sein Amt zu verlassen, wenn ein Verfahren gegen ihn läuft, sondern erst bei einer Verurteilung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!