Neonazis rufen zur Gewalt auf: Deutsch-Amerikanischer Rechtsterror

In den USA wird die „Atomwaffendivision“ mit fünf Morden in Verbindung gebracht. Sie wirbt auch in Deutschland. Die Behörden sind ahnungslos.

Mann mit Totenkopfmaske vor Hakenkreuzfahne. Eingeblendeter Text: "Greetings from Germany"

In ihrem Video grüßen die deutschen Neonazis die amerikanische „Atomwaffendivision“ Screenshot: bitchute.com/channel/based_female/

„Der Nationalsozialismus lebt, trotz einer ganzen Welt, die ihn zerstören will“, ruft ein Mann mit Totenkopfmaske und Sonnenbrille in die Kamera. Dann sagt er: „Deutsche Freiheitskämpfer, folgt der Atomwaffendivision!“ In dem Video, das Anfang Juni auf einer US-Videoplattform hochgeladen wurde, beschwört er vor einer Hakenkreuzfahne stehend „den langen letzten Kampf in Trümmern“. „Sieg Heil!“ dröhnt er am Ende des Clips, ein Magazin wird in eine Pistole geschoben und durchgeladen.

Keine Minute ist das Video lang. Die Inszenierung wirkt überzeichnet, die politische Botschaft wird fast karikiert. Dabei ist sie eigentlich brandgefährlich: Die „Atomwaffendivision“ (AWD), 2013 durch Neonazis in den USA gegründet, ruft zum bewaffneten Kampf gegen die Demokratie und gegen Minderheiten auf. In Amerika haben Mitglieder der Gruppe bereits fünf Morde verübt und Bomben für den „Rassenkrieg“ gebaut. Jetzt will die AWD offenbar nach Deutschland expandieren.

Die Linke im Bundestag nahm den Clip aus dem Internet zum Anlass für eine Anfrage an die Bundesregierung. Die Antwort ist allerdings knapp. Auf 9 von 18 Fragen zur Verankerung und Vernetzung der AWD lautet die Antwort: „Der Bundesregierung liegen hierzu keinen Erkenntnisse vor.“ Die AWD sei „nach den vorliegenden Erkenntnissen keine terroristische Vereinigung“. Allgemein bleibe die „Gefährdung“ durch rechtsterroristische Gewalttaten“ unverändert auf einem „abstrakt hohen Niveau“.

Diese Einschätzung hält die Linken-Abgeordnete Martina Renner für nicht haltbar. „Angesichts des Urteils im NSU-Prozess ist es mehr als zynisch, wenn die Bundesregierung lediglich von einer undefinierbaren rechtsterroristischen Bedrohung spricht“, sagt sie der taz. Die sogenannte Atomwaffendivision riefe offen zu Gewalttaten und einem nationalsozialistischen Umsturz auf. „Diese Gruppierung nicht als potentiell terroristisch einzustufen, verschlägt einem die Sprache“, sagt Renner weiter.

Nähe zu den Freien Kameradschaften

Das Video legt durch seine Bildauswahl eine politische Herkunft nahe: das Spektrum der Freien Kameradschaften. In den ersten Sequenzen ist ein Marsch der „Spreelichter“ zu sehen. Die Kameradschaft wurde mit ihrer Kampagne „Die Unsterblichen“ bundesweit bekannt. Mit weißen Masken und Fackeln richtete sie unangemeldete Aufmärsche am Abend aus. Die Kameradschaft lief auch verkleidet bei Volksfesten auf, um vor dem „Volkstod“ zu warnen. 2012 verbot das Brandenburgische Innenministerium das Netzwerk wegen „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ und „aktiv-kämpferischen Vorgehens“ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Auch weitere Bilder des Videos stammen von Aktionen aus diesem Spektrum. In der letzten Sequenz steht ein eine Aktivist mit einer Fahne des AWD – ein Ehrenkranz mit dem Atomzeichen – vor der Wewelsburg. Die Burg in Ostwestfallen ließ Heinrich Himmler einst zu einer Kultstätte der SS ausbauen. Bis heute ist sie ein beliebter Ausflugsort für Rechtsextreme.

In dem Video grüßt der deutsche Ableger die amerikanischen Vorbilder. Im November 2015 gründeten die Neonazis Brandon Clint Russell und Devon Arthurs die Gruppe. Rund 80 Personen soll sie umfassen, die nach dem Prinzip des „Führerlosen Widerstands“ handeln. Ein Mitglied erklärt in einem Chat, dessen Protokolle der US-Rechercheplattform ProPublica vorliegen, dass es den NSU „ziemlich cool“ finde.

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