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Neonaziangriff auf PolizeiKeine Spontanaktion

In Halberstadt griffen Anhänger von „Die Rechte“ Polizeibeamte an. Zuvor hatten sie in Goslar gegen Zuwanderung demonstriert.

Demonstration von „Die Rechte“ gegen den CDU-Oberbürgermeister Junk am 29.8. in Goslar Foto: dpa

Hamburg taz | „Lügenpresse“: Die Partei „Die Rechte“ streitet ab, Polizeibeamte angegriffen zu haben. Am Samstagabend sollen über 30 Anhänger der Kleinstpartei am Bahnhof in Halberstadt gezielt Beamte heftig angegangen sein. „Die Beamten mussten sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Angriffe wehren“, sagt ein Sprecher des Polizeireviers Harz. Gegen elf Verdächtige laufen Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs.

Am Mittag waren Mitglieder von „Die Rechte“ um den Bundesvorsitzenden Christian Worch zuvor mit weiteren Mitstreitern in Goslar aufmarschiert. In der niedersächsischen Harzstadt protestierten sie gegen den Oberbürgermeister Oliver Junk (CDU). Vor Monaten hatte Junk angeregt, in Goslar mehr Geflüchtete aufzunehmen, als die Stadt laut Quote aufnehmen müsste. Er hatte dies mit humanitärer Verantwortung begründet und gesagt, dass die Stadt „ohne Zuwanderung keine Chance“ habe.

Die Rechte hat mittlerweile acht Landesverbände in West und Ost. Sie sah sich darin bestätigt, dass Politiker das deutsche Volk durch „fremdländische“ Zuwanderer austauschen wollen. Am Samstag war auf der Straße der Zuspruch für sie aber nicht sehr groß. Im Gegenteil: An die 1.000 Menschen stellten sich rund 70 Rechtsextremen entgegen.

Auf dem Rückweg von Goslar stoppte ein Teil der Rechten in Halberstadt. In der sachsen-anhaltinischen Harzvorstadt führte die Gruppe vermeintlich spontan einen zweistündigen Aufmarsch mit Kundgebung durch – gegen „linke Gewalt“. Mit einem Transparent „Die Rechte gegen Linke Gewalt und Hetze“ und Megaphon lief der Tross durch die Stadt. „Ob Ost, ob West, nieder mit der roten Pest“, skandierten sie.

Angriff mit Fahnenstangen und Fußtritten

Am Bahnhof eskalierte die Situation, als die Rechten einen Regionalzug mit Fußball-Fans angreifen wollten. Die Polizei musste den Bahnhof absperren. Mit Fahnenstangen und Fußtritten sollen die Rechtsextremen an und im Bahnhof Beamte der Landesbereitschafts- und Bundespolizei sogleich angegriffen haben. Die Beamten blieben wegen der Schutzmontur unverletzt, sagt der Polizeipressesprecher.

Von einer spontanen Aktion will David Begrich nicht ausgehen. „Unter den Teilnehmern waren Mitglieder aus Hildesheim“, sagt der Rechtsextremismus-Experte von „Miteinander e.V.“. Deren Rückweg wäre in eine ganz andere Richtung gewesen.

Seit Monaten bemüht sich der Landesverband um den Aufbau von Strukturen. Die Partei vereint vor allem militante und radikale Rechtsextreme, die auch aus verbotenen Kameradschaften kommen oder sich von der NPD abgewendet haben. Zur Landtagswahl will die Partei mit ihrem Landesvorsitzenden Roman Gleißner am 13. März 2016 antreten. Den Grund nannte Worch deutlich: „Unser nächstes strategisches Ziel ist es, in den Genuss der Staatsfinanzierung zu kommen; das ist einer der ganz wesentlichen Vorteile, die eine Partei gegenüber allen anderen Formen der Organisation“ habe.

Schon jetzt führt der Landesverband verstärkt Aktionen gegen die Asylpolitik durch. In Halberstadt protestierten sie bereits am 30. Mai unter dem Motto „Gegen neue Asylheime“. Die NPD ist hier zur Zeit nicht die aktivste Partei, sagt Begrich: „Die Rechte bildet den aktivistischen Kern der Szene“.

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6 Kommentare

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  • Bei den erwähnten Fußball-Fans handelte es sich laut Polizeiangaben um Fans von Dynamo Dresden, die ihrerseits zum Angriff auf die Rechten übergingen: http://www.faszination-fankurve.de/index.php?head=Versuchten-Dynamo-Dresden-Fans-Rechte-anzugreifen&folder=sites&site=news_detail&news_id=10728&gal_id=31&bild_nr=3

  • Vielleicht schwant ja irgendwann auch der Polizei, dass die Feinde des Rechtstsaates in erster Linie rechts zu finden sind.

  • Das Erstarken der Rechten und die immer niedrigere Hemmschwelle ist eine Konsequenz aus dem Versagen der etablierten Parteien! Überall da wo Politik die Menschen nicht mehr erreicht gibt es potenziell offene Ohren für rechtes Gedankengut. Das predigen einige auch selbst, aber wollen die Schuld keinesfalls bei sich oder deren Partei sehen.

  • Deutschland mit Einwanderern aus aller Welt zu fluten ist eigentlich eine gute Idee. Irgendwann gibt es dann rechte Spacken nur noch als Brechmittel aus der Apotheke!

    • @amigo:

      Woher wollen Sie die politische Orientierung der Einwanderer kennen? Rechte Spacken gibt's doch nicht nur hier.

  • "Was diese Leute machen, ist längst verboten. Der Umstand, dass sie es als Partei machen, behindert derzeit jedoch ihre Strafverfolgung", sagte Olaf Scholz (SPD) unlängst sinngemäß auf einer Podiumsdiskussion zum Thema NPD-Verbot. Scholz muss es schließlich wissen, denn ohne die Mitgliedschaft in der SPD wäre so mancher Rechtsbruch ihrer Mitglieder wohl auch angemessen verfolgt worden.