Neonazi-Wahlkampf: Der nette Herr Pastörs von der NPD
Als NPD-Hochburg im Norden galt immer Ostvorpommern. Aber auch zwischen Hamburg und Schwerin haben die Rechtsradikalen sich etabliert - und treten öffentlich wie eine bürgerliche Partei auf.
BOIZENBURG taz | Eine junge Familie zeigt stolz ihr Kind im Kinderwagen vor. Udo Pastörs findet bewundernde Worte. Gut eine Woche vor der Wahl zum Schweriner Landtag am kommenden Sonntag sucht der Spitzenkandidat und Fraktions-Chef der NPD das Gespräch auf dem Wochenmarkt am Boizenburger Rathaus.
Ehefrau Marianne, die für die Partei zur Landtags- und Kommunalwahl antritt, geht mit NPD-Flyern über den Markt; grüßt und wird gegrüßt. Udo Pastörs spricht im Plauderton, mit Kaffeetasse in der Hand, über die mögliche Entlassung von 150 "deutschen Arbeitern" in einer Eisengießerei im über 300 Kilometer östlich gelegenen Torgelow, - um "polnische Kolonnen" einzustellen, behauptet er.
"Sehen Sie, man hört uns zu, spricht uns an", sagt Stefan Köster, und nippt an seinem Milchkaffee. Der NPD-Landesvorsitzende und -Landtagsabgeordnete hatte zuvor gefragt, ob er sich mit an den Tisch des Bäckereiwagens stellen dürfe. "Stört sie nicht?" fragt auch Michael Grewe, NPD-Fraktionsgeschäftsführer und -Landtagskandidat. Der Zuspruch auf dem Markt hat die beiden ermutigt.
Die Wahlumfragen geben noch kein klares Bild ab: Das Institut Forsa sieht die NPD derzeit bei über fünf Prozent. Laut Infratest dimap liegt die Partei bei 4,5 Prozent.
Den erneuten Sprung der NPD ins Schweriner Schloss hält die Politikwissenschaftlerin Gudrun Heinrich von der Uni Rostock für möglich. Die Partei habe sich ein Stammwählerpotenzial erarbeitet. "Diese Wähler - meist junge Männer mit mittlerer Bildung und häufig aus ländlichen Regionen - entschieden sich aus Überzeugung für die Rechtsextremisten."
Die NPD selbst verweist auf 2006: Damals lag sie im selben Zeitraum bei ähnlichen Werten wie heute. Mit 7,3 Prozent kam sie in den Landtag. Die Demoskopen geben eine Fehlertoleranz von rund 1,5 Prozentpunkten an.
In Westmecklenburg ist die NPD ähnlich wie in Ostvorpommern fest verankert. In Lübtheen und Grevesmühlen unterhalten Pastörs und Köster Bürgerbüros. In Grevesmühlen nutzt die NPD das sogenannte "Thinghaus", in dem mehrere Projekte von Rechtsradikalen ansässig sind - auch als Schlafmöglichkeit für Wahlhelfer und Lager für Wahlmaterialien.
An die 20 Veranstaltungen fanden in dem Gebäude statt. Der Partei zur Nutzung überlassen hat es der Neonazi Sven Krüger aus dem nahe gelegenen Dörfchen Jamel -gerade wegen illegalen Waffenbesitzes und gewerbsmäßiger Hehlerei zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
An den Infoständen würden ihnen solche Verurteilungen aber nicht vorgehalten, versichert Grewe, der selbst schon wegen Angriffen auf Gegendemonstranten vor Gericht stand wie sein Parteifreund Köster auch. "Der Wahlkampf macht Spaß", sagt Köster. "Wir sind ja Freiluftfreunde und froh aus der Schwatzbude rauszukommen." Mit "Schwatzbude" meint Köster den Landtag.
Grewes Frau legt den Markteinkauf auf den Tisch. Grewe schaut in die Tüte und sagt: "Was Frauen so alles kaufen …" Dann erzählt er, er habe nie gedacht, dass er einmal Fraktionsgeschäftsführer werden könnte. "Meine Schulbildung, nicht einfache Kindheit, na ja …"
Nicht überall im Westen des Landes erführen die NPD-Wahlkämpfer so viel Zuspruch, sagt Karl-Georg Ohse, Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg. "Die Situation ist in dieser Region speziell", betont er.
Landesweit sehen letzte Umfragen die NPD um fünf Prozent - der Wiedereinzug in den Landtag. Spitzenkandidat Pastörs erwartet sogar ein besseres Wahlergebnis als 2006: "Ich persönlich bleibe bei meiner Prognose von acht Prozent". In sechsstelliger Zahl will die Partei ihre Plakate "Sei kein Frosch - wähl deutsch" oder "Gegen Blitzerabzocke" aufhängen, sagt Köster. Rund 200.000 Euro umfasse der Wahlkampfetat. 2006 lag er noch bei 330.000 Euro.
Hat die Bundespartei kein Geld? Oder rückt sie es nicht raus, weil die Mecklenburger mit Parteichef Udo Voigt über Kreuz liegen? Köster verneint beides. Peter Marx, Mitarbeiter der Fraktion und früherer NPD-Bundesvize rutscht aber doch raus: "Gehen sie davon aus, dass Udo Voigt nicht alleine für den Bundesvorsitz kandidiert." Der Landesverband war nicht immer auf Bundeslinie. Pastörs hatte schon einmal versucht, Voigt den Bundesvorsitz streitig zu machen.
Seit Jahren bemühen sich Pastörs und seine Leute ein bürgerliches Image zu entwickeln, ohne dabei ihre radikalen Positionen abzuschwächen. Dass ihr Wahlprogramm mit seinen 25 Punkten an das 25-Punkte-Programm der NSDAP erinnert, sei ihnen schon bewusst gewesen. "Aber 23 oder 26 Punkte - da hätte der Wähler doch gedacht, das wäre alles willkürlich", erklärt Köster und lacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?