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Neoliberale Gedanken in grün

■ Die GEW-Vorsitzende Anna Ammonn ist davon überzeugt: In den Koalitionsverhandlungen hat die GAL „ihre Überzeugungen verkauft“

Kurz nach den Wahlen habe ich mich noch als GEW-Vorsitzende für Rot-Grün ausgesprochen. Inzwischen jedoch überwiegt die Enttäuschung. Mangelt es hier an Realitätssinn? Erkenne ich etwa nicht die haushaltspolitischen Zwänge, in die auch eine rot-grüne Koalition eingebunden ist? Natürlich kenne ich sie. Und doch bin ich davon überzeugt, daß Kernprobleme dieser Gesellschaft – wie etwa das Herausfallen großer Teile der Jugend aus dem sozialen Kontext, wie Perspektivlosigkeitund Gewaltbereitschaft – nur durch eine auf Langfristigkeit, Verläßlichkeit und Prävention angelegte Bildungs- und Sozialpolitik überwunden werden können, und die setzt Investitionen voraus.

Die Grünen haben diese sozialpolitische Schlüsselstellung des Bildungsbereichs immer betont. Mit einem Federstrich hat die GAL nun ihre Überzeugung verkauft, daß in dieser Legislaturperiode mindestens 600 Lehrerstellen zu schaffen seien. Denn daß in diesem Jahr deutlich weniger Schüler an Hamburgs Schulen sind als ursprünglich angenommen, ist in der Schulbehörde – und soweit haben sich die Koalitionsunterhändler doch wohl kundig gemacht – seit Mai des Jahres bekannt. Darauf wurde die Lehrerversorgung des laufenden Schuljahres bereits weitgehend ausgerichtet.

Das ändert jedoch nichts an dem generellen Trend, daß die seit Beginn der 90er Jahre anwachsenden Schülerzahlen bis zum Jahr 2005 weiter rasch zunehmen werden. Selbst wenn in dieser Legislaturperiode nicht 17.500, sondern „nur“13.500 SchülerInnen hinzukommen: Dafür werden 1.200 zusätzliche PädagogInnen gebraucht.

Nun bezieht auch die GAL den Lehrerstellenplan in die Sparquote ein. Schon in der letzten Legislaturperiode wären für die zusätzlichen SchülerInnen mehr als 800 weitere Lehrerstellen notwendig gewesen. Die jedoch wurden nicht geschaffen, sondern von den LehrerInnen – als einziger Berufsgruppe übrigens – durch Arbeitszeitverlängerungen „erwirtschaftet“. Diese Politik möchte die GAL fortsetzen.

Hier wird der fatale Versuch unternommen, Prinzipien, die in der Wirtschaft taugen mögen, auf einen Bereich zu übertragen, in dem ausschließlich Menschen mit Menschen arbeiten: nämlich „Produktionszuwächse“mit weniger Personal zu erzielen, will heißen: Die durch den rasanten gesellschaftlichen Wandel verursachten neuen und wachsenden Aufgaben in den Schulen und anwachsende Schülerzahlen sollen mit der gleichen Anzahl oder gar weniger Personal bewältigt werden. Das muß auf die Dauer zum Kollaps führen.

Ein bisher vergleichsweise wenig beachtetes Verhandlungsergebnis ist das Prinzip „Geld statt Stellen“. Im Rahmen ihrer erhöhten Selbständigkeit sollen Schulen zukünftig entscheiden können, ob sie Haushaltsmittel für Menschen oder Technik ausgeben. Das mag im Einzelfall sinnvoll sein. Die zugrundeliegende Philosophie aber bleibt zu kritisieren: Auch in Schulen soll qualifizierte menschliche Arbeit durch technische Hilfsmittel und unqualifiziertes Personal ersetzt werden.

Es ist enttäuschend, daß mit den Grünen solch neoliberales Gedankengut transportiert wird. Ein Kernproblem der heutigen Zeit ist doch, daß Kindern und Jugendlichen immer mehr menschliche Zeit und Fürsorge entzogen wird und die modernen Medien zunehmend Erziehungsfunktionen übernehmen. Wenn Rot-Grün nun beschlossen hat, den Schulen weiteres Personal zu entziehen, bedeutet das weniger Zeit für Kinder.

Die GAL hat den Politikstil der bisherigen Schulsenatorin immer lauthals beklagt. Dieser Auftakt ihrer Regierungsbeteiligung läßt allerdings nichts Gutes erwarten. Mit rechnerischen Taschenspielertricks wird die Aufgabe von Essentials – und dazu gehörten 600 neue Stellen im Bildungsbereich – verschleiert. Die GAL wird sehr schnell merken, daß sie sich mit diesem Haushaltsbeschluß den Spielraum für ihre gestalterischen Ziele unsäglich beschnitten hat. Darunter werden nicht nur die in den Schulen arbeitenden Menschen leiden, sondern auch das Ansehen der GAL.

Enttäuschend ist das auch deshalb, weil den Bemühungen der GEW, Schulentwicklungsprozesse zu fördern, KollegInnen zu motivieren, Resignation zu überwinden und zu verteidigende Bildungsziele zu formulieren, auf diese Weise dicke Brocken in den Weg gelegt wurden. Dennoch wird Professionalität und Berufsethos es der Mehrheit der Hamburger PädagogInnen gebieten, die Probleme vor Ort verantwortungsbewußt zu bewältigen. Die politische Verantwortung für die Folgen der fatalen Koalitionsbeschlüsse haben GAL und SPD zu tragen.

Als GEW-Vorsitzende werde ich nicht ablassen in dem Bemühen, für eine andere Bildungs- und Sozialpolitik einzutreten und setze dabei auf die Überzeugungskraft der Gewerkschaft und die Zusammenarbeit mit reformorientierten Kräften in Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft, die dieser – auch arbeitsmarktpolitisch – perspektivlosen Kürzungspolitik Alternativen entgegenzusetzen haben. Mein Vertrauen, daß dazu die GAL gehört, ist stark erschüttert.

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