Negative Google-Bewertungen: Hagenbeck allergisch gegen Kritik
Der Hamburger Zoo versucht, negative Kundenrezensionen auf Google zu unterbinden. Er vermutet Lügen von Leuten, die gar nicht im Zoo gewesen seien.
Ähnliche Mails mit anhängendem Beschwerdeschreiben haben eine ganze Reihe von Rezensenten erhalten. Der Tierparkleiter Dirk Albrecht begründete sein Vorgehen der taz gegenüber damit, dass, „die Zahl der Bewerter, die Hagenbeck als Angriffsfläche für unsachliche Angriffe gegen Tierhaltung nutzen, ohne im Tierpark gewesen zu sein, deutlich zugenommen hat“.
Hagenbecks Tierpark gehört zu den bekanntesten Zoos in Deutschland. Vor gut 100 Jahren machte er mit seinen Freigehegen Furore und mit seinen „Völkerschauen“, bei denen er neben den Tieren Menschen aus exotischen Ländern präsentierte. Der Zoo ist nach wie vor in Privatbesitz. In jüngerer Zeit kam er in die Schlagzeilen, weil sich die Geschäftsführung weigert, einen Tarifvertrag für die Beschäftigten abzuschließen.
Rezensenten sollen Besuch nachzuweisen
Über die Beschwerde bei Google zeigte sich die Mutter der Familie in der Hamburger Morgenpost fassungslos. Jahre zuvor habe ihr Sohn gepostet, dass ihm aufgefallen sei, dass einige Tiere in ihrem Kot standen und nicht sonderlich gepflegt aussahen. Ihrem Sohn sei es nur darum gegangen, sich für eine gute Tierhaltung einzusetzen. Den Vorwurf, sie sei mit ihrem Kind gar nicht im Zoo gewesen, weist sie zurück. Dass sie vier Jahre später nachweisen solle, tatsächlich im Zoo gewesen zu sein, sei weltfremd.
Der Zeitung zufolge ist eine weitere Hamburger Familie wegen einer negativen Bewertung angeschrieben worden. Der Vater hatte kritisiert, dass der Hamburger Tierpark viel teurer sei als der Berliner Zoo. Hagenbeck hätte das leicht mit dem Hinweis kontern können, dass er seine laufenden Kosten selbst decken muss, ohne die Hilfe der öffentlichen Hand. Stattdessen setzte Tierparkleiter Albrecht auch hier den Anwalt in Marsch.
„Man wird als Besucher mundtot gemacht“, zitiert die Hamburger Morgenpost den Vater. Er vermute dahinter eine Taktik. Dass er im Zoo gewesen sei, lasse sich leicht nachweisen. Schließlich habe Google ja seine Bewegungsdaten.
Auch bei Google selbst führt das Vorgehen Albrechts zu schlechter Presse. „Der Park versucht, meinen Post zu löschen“, ,,schreibt der als „Local Guide“ firmierende Guillermo Brinkmann auf Google. Als Local Guide bezeichnet Google Leute, die besonders viel zu den Inhalten von Google Maps beitragen. „Teuer, unsympathisches Personal, geschlossene Kioske“, lautet Brinkmanns Kommentar zum Tierpark Hagenbeck. Bewertung: ein Stern von Fünfen.
Dass sich Hagenbeck diese Blöße gibt, verwundert. Schließlich erhielt der Zoo von knapp 33.000 Google-Rezensenten im Schnitt 4,6 von fünf Sternen und bei 2.500 Trip-Advisor-Bewertungen 4,5 von fünf Punkten.
Der Hagenbeck-Direktor erklärt sein Vorgehen damit, dass sich der Tierpark gegen unsachliche Angriffe schützen dürfen müsse. „Und leider bleiben solche unwahren Bewertungen auf ewig im Internet“, sagt Albrecht. Ob es sich tatsächlich um gefälschte oder unwahre Posts handele, prüfe Google gerade.
Fake-Inhalte werden gelöscht
Nach den Richtlinien für Veröffentlichungen auf Google Maps müssen Beiträge oder Änderungen „auf tatsächlichen Erfahrungen und Informationen basieren“. Fake-Inhalte, kopierte oder gestohlene Fotos, nicht themenbezogene Rezensionen, Verleumdungen, Beleidigungen, persönliche Angriffe sowie unnötige oder falsche Angaben sind verboten. Entfernt werden aber auch gefälschte Interaktionen. Dazu gehören „Inhalte, in denen Nutzern untersagt oder davon abgeraten wird, negative Rezensionen zu schreiben, oder bestimmte Nutzer um positive Rezensionen gebeten werden“.
Nach Auskunft der vom Tierpark hinzugezogenen Rechtsanwaltskanzlei Wachs wurde Google eine zweistellige Zahl von Bewertungen zur Überprüfung vorgelegt. Negative Bewertungen gehörten zu einem vollständigen Bild, seien aber zulässig, wenn sie sich auf einen Besuch im Tierpark bezögen. Politische Statements gehörten nicht dazu.
„In vielen der gerügten Bewertungen behaupten die Bewerter nicht einmal, den Tierpark besucht zu haben“, kritisiert die Kanzlei. Der Tierpark stehe im Mittelpunkt der Diskussion um das Tierwohl in Parks generell. Während einige Bewerter gar nicht versuchten, ihre negative Agenda zu verschleiern, gingen andere nach dem Eindruck des Zoos subtiler vor. „Genau das soll durch die aktuelle Aktion geprüft werden“, schreiben die Anwälte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter