Nebentätigkeiten von Abgeordneten: Was anderswo offengelegt wird
EU-Abgeordneten ist Lobbyarbeit generell verboten. In Schweden sind alle Steuererklärungen öffentlich. In den USA werden Nebeneinkünfte begrenzt.

BERLIN taz | Unionsparteien und FDP feiern das Zehn-Stufen-Modell als Paradebeispiel für mehr Transparenz. Doch im internationalen Vergleich sind die Vorstellungen der Koalition eher lax. Fast überall, von Estland bis zu den USA, herrschen strengere Regeln.
In Großbritannien beispielsweise müssen Parlamentarier alle Nebentätigkeiten veröffentlichen, die mehr als 550 Pfund pro Jahr einbringen, und alle Spenden über 1.000 Pfund. Relevanter Immobilien- und Aktienbesitz muss ebenfalls angegeben werden, selbst wenn er dem Ehepartner oder den Kindern gehört. Und: Auch Parlamentsjournalisten müssen Nebeneinkünfte anzeigen – um Beeinflussungen durch Politiker oder Parteien durchsichtig zu machen.
In Schweden und Finnland herrscht vollständige Transparenz. Dort sind die Steuererklärungen aller Bürger, auch der Abgeordneten, öffentlich. Gläserne Abgeordnete gibt es auch in den Niederlanden, wo zudem die Höhe der Nebeneinkünfte begrenzt ist.
Auch in den USA müssen Kongressabgeordnete alle Einkünfte offenlegen, einschließlich der Einkommen ihrer Ehepartner und Kinder. Die Nebeneinnahmen von US-Parlamentariern sind ebenfalls begrenzt: Sie dürfen einen bestimmten Prozentsatz der Diäten nicht übersteigen. Ein Abgeordneter, der wie Peer Steinbrück hunderttausende Dollar nebenbei verdient, ist in den USA und in den Niederlanden unmöglich.
EU-Parlament war früher ebenso lässig
In Estland müssen Abgeordnete preisgeben, was sie an Immobilien und Aktien besitzen, wie viel Geld sie auf dem Konto haben und – wie in den USA – wie viel private Schulden sie haben. In Aufsichtsräten zu sitzen, eine Lieblingsnebenbeschäftigung deutscher Parlamentarier, ist in Estland verboten.
Im EU-Parlament ging es bei Nebenjobs indes lange ebenso lässig zu wie im Bundestag. Das hat sich, seit einem von der Sunday Times 2011 aufgedeckten Bestechungsskandal, teilweise geändert. Seit 2012 müssen die EU-Abgeordneten alle Einkünfte angeben, die über 5.000 Euro im Jahr liegen. Diese müssen nicht in Euro und Cent angegeben werden, sondern – ähnlich wie im Bundestag – in fünf Stufen von 500 bis 10.000 Euro monatlich.
Bürgergruppen kritisieren, dass die Öffentlichkeit nicht erfährt, ob ein Abgeordneter 10.000 oder 100.000 Euro im Monat verdient hat. Allerdings müssen die EU-Abgeordneten darlegen, in welchen Jobs sie wie viel Geld verdient haben, bevor sie Parlamentarier wurden – und zwar drei Jahre zurück. Noch wichtiger: Lobbytätigkeiten sind generell verboten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens