Naturschutz im Freistaat: Bayern ist gut zu Bienen
Ein Volksbegehren für mehr Artenvielfalt ist ein Erfolg. CSU-Ministerpräsident Markus Söder beruft einen Runden Tisch ein.
Auch am Montag hätten sich in Bayern wieder lange Schlangen vor den Rathäusern gebildet. Szenen, wie sie etwa auf dem Münchner Marienplatz schon seit Beginn der zweiwöchigen Eintragungsfrist regelmäßig zu sehen waren. Besonders in den großen Städten war der Andrang erwartungsgemäß besonders hoch. So hatten sich allein in München bis Montagabend schon rund 148.000 Menschen in die Listen eingetragen, was einer Quote von 16,18 Prozent entspricht.
Auch am Mittwoch können sich die Wahlberechtigten in Bayern jedoch noch in die Listen eintragen, um dem Volksbegehren für die Artenvielfalt noch mehr Gewicht zu verleihen. „Je größer der Zuspruch, desto höher der Druck auf Ministerpräsident Söder, die Forderungen des Volksbegehrens für wirksamen Artenschutz in Bayern auch umzusetzen,“ so die ÖDP-Politikerin Becker. Und Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im bayerischen Landtag, sagte: „Wenn bis Mittwochabend noch alle unterschreiben, die bisher keine Zeit dafür gefunden haben, können wir dieses Volksbegehren zum erfolgreichsten seit über 50 Jahren machen und ein deutliches Zeichen an die bayerische Staatsregierung senden.“ Die offiziellen Zahlen will der Landeswahlleiter am Donnerstag vorlegen.
Mit dem Erfolg ist die zweite Hürde – die schwierigste, wie viele sagen – genommen. Denn jeden zehnten Wahlberechtigten bei Wind und Wetter zum Gang ins Rathaus zu bewegen, ist keine Kleinigkeit. Einige Volksbegehren sind in diesem Stadium schon gescheitert. So verfehlte 2004 das Volksbegehren „Aus Liebe zum Wald“ gegen eine Forstreform der Regierung Stoiber ganz knapp die Zehn-Prozent-Marke: 9,3 Prozent der Wahlberechtigten hatten unterschrieben.
Hecken, Bäume, Gewässer – alles soll geschützt werden
Ziel des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ ist eine umfassende Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes. Vor allem soll es künftig einige verpflichtende Maßnahmen gegen das Artensterben beinhalten. Man habe schon zu lange auf Freiwilligkeit gesetzt, so die Initiatoren – allerdings ohne Erfolg. So soll künftig ein Biotop-Verbund im Freistaat geschaffen werden, Hecken, Bäume und kleine Gewässer sollen in der Landwirtschaft erhalten werden, ebenso blühende Uferstreifen an allen Bächen, zehn Prozent aller Wiesen sollen in Blühwiesen umgewandelt und der Naturschutz in die Ausbildung von Land- und Forstwirten aufgenommen werden.
Außerdem soll der Anteil des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausgebaut werden. Noch sind es weniger als zehn Prozent. Angestoßen hatte die ÖDP das Volksbegehren. Nachdem es im Oktober vom Innenministerium zugelassen worden war, schloss sich allerdings ein Bündnis von über 170 Partnern an, darunter auch Grüne, SPD und verschiedene Naturschutzorganisationen.
Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug. Der bayerische Landtag hat im Prinzip drei Möglichkeiten: Er kann die vom Volksbegehren geforderten Gesetzesänderungen übernehmen, und die Sache ist erledigt. Er kann aber auch die Forderungen der Artenschützer in Bausch und Bogen ablehnen, dann muss der Wähler in einem Volksentscheid befinden, ob der Gesetzentwurf umgesetzt wird oder alles beim Alten bleibt. Derzeit läuft allerdings alles auf Möglichkeit Nummer drei hinaus: Es kommt zu einem Volksentscheid, bei diesem stellt der Landtag mit seiner schwarz-orangefarbenen Mehrheit aber noch einen eigenen Gesetzentwurf zur Auswahl.
Nach langem Zögern hatte sich Ministerpräsident Markus Söder noch während des laufenden Volksbegehrens zu Wort gemeldet und einen Runden Tisch angekündigt. Im Gespräch mit den Initiatoren des Volksbegehrens, aber auch mit dem Bauernverband will er bis zum Frühsommer ein Naturschutzgesetz erarbeiten, das einen besseren Artenschutz gewährleistet. Nachdem bekannt war, dass die zehn Prozent sicher waren, twitterte Söder: „Unser Ziel ist ein gesellschaftlicher Konsens. Wir wollen Natur nicht gegen die Bauern schützen, sondern mit ihnen.“ Am Ende schob der Ministerpräsident aber noch nach: „Wir wollen versöhnen, statt zu spalten.“ Kann man als selbstkritische Begründung für die neue Offenheit gegenüber den Naturschützern verstehen. Wahrscheinlicher ist, dass es als Spitze gegen die Initiatoren des Volksbegehrens gemeint ist, denen besonders vom Bauernverband immer wieder unterstellt worden war, sie richteten sich mit dem Volksbegehren gegen die Landwirte.
Der Volksentscheid kommt
Der Bauernverband, der in der Regel auf die Unterstützung der CSU zählen kann, ist der vehementeste Gegner des Volksbegehrens und lehnt verpflichtende Maßnahmen kategorisch ab. Allerdings scheiden sich inzwischen auch innerhalb der Bauernschaft die Geister. So wirft etwa der bayerische Landesverband von Bioland dem Bauernverband in einem Offenen Brief bewusste Falschbehauptungen und Stimmungsmache vor. Einige Bioland-Mitglieder sind nun aus Protest aus dem Bauernverband ausgetreten.
Der Runde Tisch ist schon für den 20. Februar terminiert. Eine Einladung von Söder habe man noch nicht bekommen, berichteten er bayerische Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann und Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz, noch am Montag auf einer Pressekonferenz, aber man werde sich ernstgemeinten Gesprächen nicht verschließen. Bloß: Der Entwurf des Volksbegehrens sei die Messlatte. „Drunter werden wir nicht gehen“, sagte Schäffer. „Wenn es dann noch etwas Besseres gibt, dann werden wir das Bessere unterstützen.“
Zu einem Volksentscheid wird es nun aber in jedem Fall kommen – aller Voraussicht nach zeitgleich zur Europawahl am 26. Mai.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind