Naturschutz für Wiesen: Sieg für Schmetterlinge vor Europäischem Gerichtshof
Deutschland habe Wiesen mit vielen Tier- und Pflanzenarten ungenügend geschützt, so der EuGH. Naturschutzregeln für Bauern müssten verbindlich sein.
Die Bundesrepublik verstieß demnach gegen die Habitatrichtlinie der EU, indem „sie keine rechtlich verbindlichen Schutzmaßnahmen gegen Überdüngung und zu frühe Mahd“ auf diesen Wiesen erließ. Sollte Deutschland das nun nicht ändern, drohen Geldstrafen.
Insgesamt geht es laut dem Urteil um 97.000 Hektar, das entspricht rund 2 Prozent des derzeit landwirtschaftlich genutzten Grünlands in der Bundesrepublik. Bauern erzeugen dort vor allem Raufutter wie Gras für Rinder, um Milch und Fleisch zu produzieren. Dort leben aber auch besonders viele Kräuter, blühende Pflanzen und bedrohte Tierarten, etwa die Schmetterlinge Großer Feuerfalter und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Außerdem speichert Grünland deutlich mehr Kohlenstoff als Ackerland und trägt so zum Klimaschutz bei.
Doch allein von den beiden vom Urteil betroffenen Wiesentypen in Deutschland ging laut EU-Kommission seit 2006 rund die Hälfte der Fläche verloren. Diese Schätzung hält die Bundesregierung zwar für zu hoch, aber selbst die von ihr genannten niedrigeren Werte wären nach Meinung des EuGH zu schlecht. Unstrittig war in dem Verfahren die Ursache der Verluste: Die Wiesen werden zu viel gedüngt und zu früh gemäht.
Um das zu verhindern, seien keine speziellen Verbote notwendig, argumentierte Deutschland. Vereinbarungen mit den Bauern, Empfehlungen und unverbindliche Managementpläne würden reichen. Doch die Regierung habe nicht nachgewiesen, dass diese auch eingehalten werden, so das Gericht.
Die Kommission hatte Deutschland zudem auch vorgeworfen, keine aktualisierten Daten zu diesen Gebieten übermittelt zu haben. Dazu seien die Mitgliedsstaaten jedoch nicht verpflichtet, entschied der EuGH. Die deutschen Behörden hätten die Wiesen allerdings auch nicht genügend überwacht.
Der Naturschutzbund (Nabu), der das Verfahren durch eine Beschwerde bei der EU-Kommission ins Rollen gebracht hatte, fordert jetzt „einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura 2000-Gebiete“. Das dafür nötige Geld müssten Bund und Länder bereitstellen. Die EU-Agrarsubventionen sollten genutzt werden, um Landwirte attraktiv dafür zu honorieren, das sie die Wiesen schützen.
Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger bezeichnete das Urteil als „Weckruf für den Naturschutz hierzulande, der weit über den konkreten Fall hinausgeht“. Denn laut Nabu könne die Gerichtsentscheidung auf andere Lebensraumtypen übertragen werden. Krüger wies darauf hin, dass der EuGH Deutschland bereits im September 2023 wegen Verstößen gegen EU-Recht in Schutzgebieten verurteilt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen