Nato gegen Schlepper und Flüchtlinge: Halber Einsatz im Ägäischen Meer
Seit Wochen patrouillieren Kriegsschiffe auf der Suche nach Flüchtlingen in der Ägäis. Freie Fahrt gewährt ihnen die Türkei bis heute nicht.
Einen Monat später hat der Appell erst zur Hälfte gefruchtet.
Die Schiffe patrouillieren jetzt auch vor der Insel Chios, die neben Lesbos das Ziel der meisten Ägäis-Flüchtlinge ist. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums darf die Nato alle weiteren türkischen Gewässer aber noch immer nicht befahren.
Der Einsatz hatte Anfang März unabhängig vom EU-Türkei-Abkommen begonnen. Die Soldaten machen Flüchtlingsboote ausfindig und melden sie an die griechische oder türkische Küstenwache. Diese greifen die Flüchtlinge auf und bringen sie in die jeweiligen Häfen – von türkischen Gewässern zurück aufs Festland, von griechischen Gewässern nach Lesbos und Chios. Offizielles Ziel ist es, Schleppern das Geschäft zu erschweren.
Ministerium hat keine Zahlen
Ob dieses Kalkül aufgeht, ist unklar. Laut Ministerium hat die Besatzung des beteiligten Bundeswehrschiffs bisher „mehrere Dutzend Sichtungen“ an die Küstenwachen gemeldet und anschließend beobachtet, wie Griechen oder Türken die Flüchtlinge aufgreifen. Genaue Zahlen lägen aber nicht vor.
Statistiken des UNHCR zeigen, dass in den Tagen nach Einsatzbeginn deutlich weniger Flüchtlinge auf Lesbos ankamen als in der Woche davor. Auf Inseln ohne Nato-Überwachung sank die Zahl im selben Zeitraum aber beinahe ebenso stark. Grund für den Rückgang könnten also auch das Wetter oder andere Faktoren sein.
Gleichwohl: Beobachtern zufolge hält die türkische Küstenwache heute mehr Flüchtlingsboote auf als noch im Herbst – sei es wegen der Nato-Unterstützung oder wegen Anweisungen aus Ankara. „Es kommen kaum noch Boote durch“, sagt zum Beispiel Ruben Neugebauer, der bis vor kurzem für die Hilfsorganisationen Sea-Watch und Cadus auf Lesbos war.
Fahrt durch die Nacht
Weil die türkische Küstenwache die Boote mit Hilfe von Holzlatten und Wasserkanonen abfange, suchten die Flüchtlinge Alternativen. Laut Neugebauer fahren sie häufiger bei Nacht und auf abgelegenen Strecken. Seien früher viele Flüchtlinge auf eigene Faust aufgebrochen, seien sie für die Überfahrt jetzt erst Recht auf Schlepper angewiesen.
Nach Mitteleuropa schaffen sie es freilich trotzdem nicht: Gemäß dem EU-Türkei-Abkommen soll Griechenland inzwischen so gut wie alle Flüchtlinge, die es auf die Inseln schaffen, in die Türkei abschieben. Der Weg nach Österreich, Deutschland oder Skandinavien wäre also auch ohne Nato und Küstenwachen versperrt.
An ein Ende des Einsatzes denkt man in der Bundesregierung dennoch nicht. „Bevor wir darüber reden, versuchen wir erstmal, den Einsatz auf die gesamte Küstenlinie auszuweiten“, heißt es aus dem Verteidigungsministerium.
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