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Nato, Ukraine und RusslandGefährliches Säbelrasseln

Kommentar von Barbara Oertel

Die Unterstützungsbekundungen der Nato für die Ukraine sind leeres Geschwätz. Bei einem Einmarsch Russlands würde die Nato nichts tun.

Nato-Mannöver im September in Lettland Foto: Roman Koksarov/ap

D ie Kreml-Astrologie hat dieser Tage wieder Hochkonjunktur. Russlands Präsident Wladimir Putin lässt 115.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren und alle Welt fragt sich, warum nur. Geht es lediglich um eine Drohgebärde, wie im vergangenen Frühling, als auch schon einmal rund 100.000 an der Grenze stationiert waren? Oder ist dies das Vorspiel zu einer größeren Militäroperation in Gestalt einer Intervention? Moskau kommentiert heute wie damals lapidar: Man könne Truppen auf seinem Territorium schließlich nach eigenem Ermessen bewegen.

So unklar die Gefechtslage derzeit auch sein mag – der verbale Schlagabtausch hat längst begonnen. Während Moskau die Nato davor warnt, „rote Linien“ zu überschreiten, redet Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg von einem hohen Preis, den Russland im Falle einer Aggression zahlen müsse.

Noch-Außenminister Heiko Maas beschwört die ungebrochene Unterstützung der Nato für die Ukraine, deren Unabhängigkeit und territoriale Integrität nicht zur Diskussion stünden. Diese hehren Worte sind leeres Geschwätz. Sollte Russland tatsächlich in der Ukraine einmarschieren, würde die Nato keinen Finger krümmen.

Genauso ins Reich der Fantasie gehört die Annahme, die Ukraine könnte in absehbarer Zeit Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden – von wegen. Im „besten“ Fall fallen für Kiew jetzt ein paar zusätzliche Waffenlieferungen ab. Für eine wirksame Abschreckung dürfte das kaum reichen.

Ungemach dräut dem Präsidenten der Ukraine im Übrigen nicht nur von außen. Präsident Selenski sagt Rinat Achmetow, dem mächtigsten Oligarchen im Land, den Kampf an. Der soll daran beteiligt sein, einen Putsch vorzubereiten. Innenpolitische Instabilität ist das letzte, was Selenski derzeit gebrauchen kann. Wir erinnern uns: Im Februar 2014, nach dem Sturz des damaligen Staatschefs Wiktor Janu­kowitsch, herrschte ein politisches Vakuum in Kiew. Im März annektierte Moskau die Krim.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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10 Kommentare

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  • Sind es nur von Großmachtsdenken getriebene Bemühungen, die NATO von den Grenzen Russlands fernzuhalten? Die Erinnerung an Kuba 1962 ist ja berechtigt .

    Wäre ich russischer Militär, verantwortlich dafür , dass die Sicherheitslage meines Landes sich nicht weiter verschlechtert, dann wüsste ich, dass die Besetzungsversuche (Napoleon, Deutschland) hauptsächlich deshalb gescheitert sind, weil es ein langer Weg vom Westen nach Moskau war und diese Eroberer eben nicht gleich von der ukrainischen Grenze losmarschieren konnten.

    Was wäre so schlimm, die Lage zu beruhigen durch ein "Nicht-Ausdehnungsversprechen" der NATO (was immer solche Versprechen wert wären bei künftigen Trumps ) ?

    • @Kwasir:

      Ein solches Versprechen gibt es doch längst inosfern, als dass auch die NATO-Staaten an internationales Recht gebunden sind nach dem ein Einmarsch in Russland völkerrechtswidrig wäre.



      Sehen nicht doch gewisse Unterschiede zwischen der Armee eines selbsternannten Kaisers im ausgehenden Absolutismus als Krieg für den herrschenden Adel noch eine ganz normale politishe Option unter anderen war oder gar dem Militär Nazi-Deutschlands und der heutigen NATO? Und halten sie es tatsächlich für ein realistisches Szenario anzunehmen, dass die NATO in Russland einmarschiert um dann, ja was eigentlich, da das Nationbuilding zu betreiben, dass schon in Afghanistan nicht funktionierte oder sich Russland als Protektorat zu halten und Tributzahlungen abzupressen?

  • Sind es nur von Großmachtsdenken getriebene Bemühungen, die NATO von den Grenzen Russlands fernzuhalten? Die Erinnerung an Kuba 1962 ist ja berechtigt .

    Wäre ich russischer Militär, dann wüsste ich, dass die Besetzungsversuche (Napoleon, Deutschland) gescheitert sind, weil es ein langer Weg vom Westen nach Moskau war eben weil diese Eroberer nicht gleich von der ukrainischen Grenze losmarschieren konnten.

    Was wäre so schlimm, die Lage zu beruhigen durch ein "Nicht-Ausdehnungsversprechen" der NATO (was immer solche Versprechen wert wären bei künftigen Trumps ) ?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Offenbar gibt es keine Sichtweisen, wie man sich friedlich mit Russland einigt. Ein wesentlicher Punkt ist doch die Stationierung von Waffen und Militär in der Ukraine.



    Was würden die USA tun, wenn Russland erneut Raketen auf Kuba stationieren würde. Was????

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Was ihr hier für Unsinn verzapft



      Unglaublich.



      Wer hat denn angefangen mit Agression



      ??

      Wer hat die Krim annektiert?



      Mit vorgeschobenem "Volkswillen"?



      Wer will einen Teil der Ukraine gewaltsam auch noch Russland einverleiben?



      Wer laesst Opositionelle exekutieren,vergiften,oder nur Unbequeme sogar??



      Warum sind die Baltenstaaten und Polen verängstigt?



      Warum wird Weissrussland vermutlich bald ein Teil Russlands? Ungewollt eigentlich?



      Alle Tatsachen werden verdreht,wie es halt immer von Unrechtsregimen,autokratenstaaten,Diktaturen ausgehend,nicht anders zu erwarten ist.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Welche Waffen wurden denn vom Westen in der Ukraine stationiert? Welche Armee hat die Ukraine denn, um Russland damit bedrohen zu können? 120.000 Mann mit Waffensystemen aus der sowjetischen Ära! Mehr als hinhaltenden Widerstand zu leisten ist damit nicht drin. Darauf eine militärische Bedrohungslage für Russland abzuleiten ist - mit Verlaub - schlichter Unsinn. Auf Kuba wurden Kernwaffenträger stationiert - es ist völlig abwegig, das auf die Situation in der Ukraine zu übertragen. "...wenn Russland erneut (Atom)Raketen auf Kuba stationieren würde..." - ist ganz einfach, die würden nach dem Scheitern diplomatischer Versuche ausgeschaltet - was denken Sie denn? Aber so irrational würde Putin nicht handeln (hoffe ich jedenfalls).

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich sehe es so.



    Putin will Russland wieder zum Großreich wie einst die Sowjetunion führen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht.



    Der Westen, insb. die USA, hat mit Raketengürteln vor den Toren Russlands Tatsachen geschaffen. War es nun Prävention oder Agression?

    Die Europäer haben die ausgestreckte Hand Putins ausgeschlagen. Der hat keinen Bock mehr sich mit lauwarmen Versprechen zu begnügen. Darüber wird aber eher wenig berichtet!

    Hinzu kommt nun die US-gesteuerte Propaganda gegen Nordstream II. Was soll das? Will man unbedingt die letzten Brücken zu Russland abbrechen. Was geht das die Amis an?



    Mit den Chinesen, die keinen Deut besser sind, geht man momentan noch ganz anders um.



    Letztlich wird die Bevölkerung unter die Räder kommen - wie immer.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Darüber ob die Osterweiterung der NATO taktisch klug war kann man berechtigt streiten, allerdings war dieser Schritt ja auf Seiten der beitretenden Ländern auch schon ganz Wesentlich durch die nicht ganz unberechtigte Angst vor russischen Ansprüchen und Interventionen motiviert, weil sie sahen wie Russland etwa in Tschetschenien operierte.



      Vorgänge wie die Annexion der Krim mit Verweis auf NATO-Truppen in Polen oder dem Streit um Nordstream 2 zu rechtfertigen ist einfach nur absurd.

  • Richtig, die NATO würde nichts tun. Ein rund dafür ist allerdings auch die mangelnde Einsatzbereitschaft und geringe Größe der Bundeswehr, die ja als handelnde Truppe akisch ausfällt. Und daher auch als Drohkulisse gegenüber Russland. Wie bestellt, so geliefert, da sollte man sich halt nicht wundern. Mal sehen wann Frau Baerbock merkt dass man als Aussenminister einer abgerüsteten Nation nicht ernst genommen wird..

  • Im Falle eines russischen Einmarsches wäre die Lieferung moderner Panzer- und Luftabwehrwaffen, Ausbildung, medizinische Unterstützung sowie satellitengestütze Aufklärung das Mittel der Wahl. Viel "Bums fürs Geld". Russland würde dann militärisch einen sehr hohen Preis zahlen müssen. Die politische Wirkungen durch den ergänzenden wirtschaftlichen Boykott wäre ebenfalls enorm - auch wenn wir dann alle das Gas runterdrehen müssten. Über die 2% für Rüstung würde niemand mehr streiten - eher ob es 3% oder 4% werden. Nein, die Konsequenzen für Russland wären drastisch. Solange man sich in Moskau rational verhält, wird es keinen Einmarsch geben. Aber handelt man in Moskau rational?