Nato-Gipfel in Warschau: Gefrorenes Lächeln
Polens Präsident Duda fing sich unvermutet eine symbolische Ohrfeige vom US-Präsidenten Obama ein. Die USA machen sich Sorgen.
Übermüdet, aber diszipliniert debattierten sie am Samstag wieder die zentralen Themen des Gipfels: Umgang mit Russland, Bekämpfung des IS-Terrors, Hilfe für Afghanistan, Irak und die Ukraine sowie die Sorge um den Gipfel-Gastgeber Polen, der immer weiter vom demokratischen Weg abdriftet.
Als der US-amerikanische Präsident Barack Obama in seiner Gipfel-Rede die Verfassung Polens vom 3. Mai 1791 lobte, lächelte Andrzej Duda noch stolz und ein bisschen selbstgefällig. Immerhin ist die sogenannte Mai-Verfassung nach der amerikanischen die zweite demokratische Verfassung weltweit und die erste in Europa.
Ab 2017, so Obama weiter, werden die US-Amerikaner das multinationale Bataillon in Polen befehligen und auch das Kommando einer amerikanischen Panzerbrigade stellen, die an verschiedenen Orten Europas stationiert wird. Das Lächeln gefror dem polnischen Präsidenten zu einer starren Maske, je länger Obama redete.
Denn das war kein Lob mehr „für einen der engsten Bündnispartner der USA“. Das war harte und offene Kritik am fortschreitenden Demokratieabbau in Polen durch die rechtsnationale Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die seit den Wahlen 2015 mit absoluter Mehrheit im Parlament regieren kann und der auch Präsident Duda entstammt.
Sorge um die polnische Demokratie
„Ich habe Präsident Duda ganz offen gesagt“, so Obama, der sich mit anderen Politikern wie David Cameron oder Angela Merkel duzt, „dass die USA sich große Sorgen darum machen, was sich rund um das polnische Verfassungsgericht abspielt“. Als Freund und Bündnispartner Polens rufe er alle Parteien in Polen auf, den demokratischen Charakter der Schlüsselinstitutionen zu verteidigen. Nicht nur die Verfassung entscheide darüber, ob ein Land eine Demokratie sei, sondern auch Institutionen und Standards wie rechtsstaatliche Verfahren, unabhängige Gerichte und freie Medien.
„Das sind Werte, auf denen wir unser Bündnis aufgebaut haben“, so Obama, der in einen Konferenzraum des Nationalstadions gebeten hatte, der dem Oval Office in Washington nachgebaut war. So hatte nicht Obama dem polnischen Präsidenten seine Aufwartung gemacht, vielmehr kam Duda zu Obama, um sich dort eine symbolische Ohrfeige für seine antidemokratische Politik einzufangen.
Die Stimmung war danach nicht mehr ganz so triumphal wie in den ersten Gipfel-Stunden, doch die PiS schien den Slogan ausgegeben zu haben: „Lächeln, immer nur lächeln!“ So erklärte Duda von oben herab, dass er Obama die Sache mit dem Verfassungsgericht erklärt habe und der Konflikt nun ja auch endgültig vom Parlament mit einem neuen Gesetz gelöst worden sei.
Dass die Opposition im Parlament wie auch der Verfassungsgerichtspräsident nach dem Gesetz den „Tod der Demokratie in Polen“ verkündeten, sagte Duda nicht. Doch das wird Obama ohnehin wissen. Die amerikanische Botschaft in Polen gilt als eine der besten. Nun liegt es an Duda, ob er in ein paar Tagen das umstrittene Gesetz unterzeichnet, oder sich für die Demokratie entscheidet.
Ein ungutes Gefühl
Unmut weckten auch eine Ausstellung, die eigentlich dem Beitritt Polens zur Nato 1999 gewidmet war, aber vor allem dem PiS-Personenkult frönte, sowie ein großes Plakat, das am Samstag der PiS nahestehenden Zeitung Gazeta Polska Codziennie (Polnische tägliche Zeitung) beilag: Auf gelbem Hintergrund ist ein stilisiertes Totenkopfabzeichen zu sehen. In seiner Mitte das Porträt Putins mit der Warnung „Achtung“ (in deutscher Sprache) und „RuSSia“ (mit SS-Runen).
Obwohl Polen den Gipfel mustergültig organisierte, so dass die über Monate von den Nato-Staaten vorbereiteten Beschlüsse zum Antiterrorkampf, zu Nato-Schulungsmissionen im Irak und in Afghanistan, zu den vier rotierenden Bataillonen in Polen, Litauen, Lettland und Estland verabschiedet werden konnten, bleibt das ungute Gefühl zurück, dass neben der Türkei nun auch noch Polen ein massives Demokratie- und Glaubwürdigkeitsproblem hat. Solche Mitglieder in der Nato können dem Bündnis selbst gefährlich werden. Das wissen alle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“