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Nationalistische Feier in MoskauSchlager, Putin, „Russland!“-Rufe

Mit einer großen Feier begeht Russlands Präsident Putin den Jahrestag der Annexion der Krim. Russische Staatsbedienstete müssen teilnehmen.

Wladimir Putin bei seinem Auftritt im Luschniki-Stadion am 18.März Foto: Sputnik/Kremlin/reuters

Moskau taz | Es ist eine ideologische Euphorieshow, die sich an diesem Freitagnachmittag im Moskauer Luschniki-Stadion vollzieht. Busweise werden Menschen mit der russischen Trikolore angekarrt, manche von ihnen müssen ihre Teilnahme den Vorgesetzten melden. Mit Unterschrift und Adresse, mit Bildern vom Ort des Geschehens. Leh­rer*in­nen, Student*in­nen, Angestellte im öffentlichen Dienst nehmen an der Veranstaltung teil, die in Russland unter dem euphemistischen Begriff „Krim-Frühling“ läuft, ein Feiertag. Es ist eine staatlich angeordnete Maßnahme. Nicht alle kommen freiwillig, manche unterschreiben und laufen schnell wieder weg.

Vor acht Jahren wurde die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim zum russischen Föderationssubjekt erklärt. „Eingegliedert“, heißt es im Russischen. „Zurückgekehrt in den Heimathafen“, sagen die glühendsten An­hän­ge­r*in­nen der völkerrechtswidrigen Einverleibung.

Im Zuge der sogenannten militärischen Spezialoperation, wie Russland seinen Feldzug gegen die Ukraine derzeit nennt, instrumentalisiert das Regime den Jahrestag, um seine Parolen für Frieden und Menschenrechte unters Volk zu bringen. Es macht es auf eine perfide Weise, indem es jeden Begriff – Liebe, Frieden, Freundschaft – völlig umwertet.

Die Schlacht um die Ukraine wird als Schlacht gegen den Nazismus verkauft. Untermalt mit dem lateinischen Buchstaben „Z“, der eine Art neue Swastika geworden ist. Selbst Kindergartenkinder müssen Tänze in Z-Formationen aufführen, sie malen den Buchstaben in den Farben der russischen Trikolore auf, sagen Gedichte über die „Heldentaten“ der russischen Armee auf. Nicht alle Eltern sehen darin einen Missbrauch ihrer Kinder.

Plötzlich unterbricht die Übertragung

„Solch eine Einheit hatten wir schon lange nicht“, sagt der russische Präsident Wladimir Putin, als er im Luschniki-Stadion auftritt – und plötzlich verstummt. Nicht einmal drei Minuten dauert seine Rede, in der er nochmals wiederholt, was er in den vergangenen Tagen wie ein Mantra von sich gibt. Die „Spezialoperation“ verlaufe „erfolgreich“, „nach Plan“ und werde ihre „Ziele“ erreichen.

Die Übertragung – jeder russischer Staatssender zeigt seinen Auftritt – unterbricht mitten im Satz, die Regie sendet Bilder patriotischer Schlager aus dem vergangenen Jahr. Die Rus­s*in­nen am Fernsehen rätseln. Der Kremlsprecher Dmitri Peskow klärt wenig später auf: ein Serverproblem.

Der Erste Kanal sendet schließlich Putins Auftritt noch einmal, in dem er auf einen heiliggesprochenen Admiral verweist. Keine einzige Schlacht habe der Mann verloren. „Alle Gewitter führen zum Ruhme Russlands“ soll er laut Putin gesagt haben. „So war es damals, so ist es heute, so wird es immer sein.“ Das sagte nicht der Admiral, das sagt Putin. Die Menschen jubeln und brüllen: „Russland, Russland!“

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1 Kommentar

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  • Gruselig! Da frage ich mich jetzt schon, welche Dolchstoßlegende aufkommen und für weiteres Gefahrenpotential sorgen wird, sollten Putin und seine Anhänger sich aus der Ukraine zurückzuziehen müssen.