piwik no script img

Nairo Quintana bei der Tour de FranceDer Verfolger

Der Kolumbianer Nairo Quintana ist dem Briten Chris Froome auf den Fersen. Kann er ihn in den Bergen noch schlagen?

Christopher Froome (r.) überspurtet Nairo Quintano bei einer Bergankunft. Foto: dpa

Für viele Zuschauer ist die Tour de France schon längst entschieden. Chris Froome wirkt unbesiegbar im gelben Trikot des Gesamtführenden. Mindestens eine Person hat aber eine abweichende Meinung: Nairo Quintana, Klettertalent aus den Bergen Kolumbiens, glaubt weiter an seine Chance.

„Ich fühle mich gut, ich bin nicht krank wie letztes Jahr noch beim Giro. Und die langen Anstiege in den Alpen kommen mir entgegen. Wir werden jeden Tag attackieren“, verspricht der Movistar-Kapitän.

Quintana blieb dabei so ruhig und stoisch wie gewohnt. Ihm setzte nicht zu, dass er Froome bislang nicht richtig abhängen konnte. Eher gelassen sah er, wie der Rivale sich abmühte, die Dopingverdächtigungen zu zerstreuen. Quintana weiß auch, dass ihm Ähnliches droht, sollte er es tatsächlich schaffen, noch ins gelbe Trikot zu schlüpfen.

Einen Vorgeschmack erhielt er zu Beginn der Frankreich-Rundfahrt, als er nach seinen langen Abwesenheitszeiten vom europäischen Rennbetrieb gefragt wurde, was den Verdacht erweckte, er wolle sich vor Dopingkontrollen drücken. „Ich wurde auch in Kolumbien kontrolliert, 5-mal insgesamt. Es ist nicht so, dass bei uns das Kontrollregime nicht funktioniert“, stellte er klar. Dabei lächelte er, zeigte blendend weiße Zähne. Vielleicht wirbt deshalb ein kolumbianischer Zahnpastahersteller mit seinem Konterfei.

In seiner Heimat ist er ein Star, Scharen von Bewunderern begleiten ihn auch in Europa. Dort weiß man wohl noch nicht so recht, was man mit ihm anfangen soll. Sie stellt ihn in die Reihe früherer kolumbianischer Klettertalente. Vor allem produziert sie Geschichten, die zuweilen gar nicht stimmen. Wie eine Sphinx, undurchschaubar für die Kontrahenten, rätselhaft für Beobachter und stets in sich ruhend, nimmt Quintana dies hin.

Das Team von Quintana wird es überall probieren, aber wir sind dafür bereit

Christopher Froome

Manchmal nutzt er die Gelegenheit, die Falschmeldungen zu korrigieren. „Nein, wir haben in unserer Familie nie gehungert. Wir hatten immer zu essen, hatten auch etwas Ackerland“, sagte er am Rande dieser Tour und trat dem Bild des Aufsteigers aus der untersten Unterschicht entgegen. Seine Eltern schickten ihn und seine Geschwister auch immer zur Schule, versichert er, und ein einsames Dorf sei sein Geburtsort auch nicht.

Jenseits der Klischees

Was jenseits der oft falschen Klischees von ihm bestehen bleibt, ist, dass er ein großes Klettertalent ist und dieses Talent auch mit großer Konsequenz entwickelt. „Nairo war sehr früh schon sehr reif. Er hat eine klare Vorstellung von seinen Zielen und von dem Weg, auf dem er dahin gelangen kann. Er kann auch seinen Mannschaftsgefährten gute und klare Anweisungen geben“, sagt Movistar-Rennstallchef Eusebio Unzue der taz. Bei Movistar hat sich bereits herumgesprochen, dass Dayer Quintana, der jüngere Bruder, der angeblich über noch größeres Potenzial verfügt, eher den Verlockungen des Starseins nachgebe, während Nairo sich auf die Arbeit konzentriere.

Nairo Quintanas Job ist derzeit nicht einfach. 3:10 Minuten trennen ihn von Chris Froome. Das ist aber auch kein unaufholbarer Rückstand. Bei seinem Tourdebüt vor zwei Jahren nahm er auf den drei Alpenetappen Froome gut anderthalb Minuten ab. Klar, das würde nicht reichen. Aber Quintana ist besser geworden im Verlauf der letzten Jahre, während Froome in etwa auf seinem Niveau von 2013 verblieben ist.

Wie Froome zu schlagen wäre

Wie Froome zu schlagen sein könnte, führte schon 2013 Doping-Guru Michele Ferrari in seinem Blog aus: Man müsse den Briten früh angreifen. Der habe einen großen Motor, der ihm zusammen mit der hohen Trittfrequenz viel Explosivität auf steilen Stücken ermögliche, der andererseits aber viel Energie verbrauche. Müsse er ihn früh und hochtourig einsetzen, könnte ihm vor Etappenende der Sprit ausgehen, orakelte Ferrari bei seiner Tour-Auswertung 2013. Mit menschlichen Motoren kennt Ferrari – Doping hin, Doping her – sich prima aus.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen sind die Männer von Movistar und auch die Astana-Truppe von Titelverteidiger Vincenzo Nibali gekommen. Auf der letzten Pyrenäenetappe und bei einem Überführungsabschnitt zwischen den Alpen und den Pyrenäen setzten sie Froome zu. Nicht immer wirkten dabei dessen Helfer souverän, Froome wackelte leicht. Quintana kennt das Besteck, das er einsetzen muss, um bei seiner zweiten Tour de France ganz oben aufs Podium zu kommen.

Seine berühmten Landsleute Luis Herrara (Bergkönig der Tour in den Jahren 1985 und 1987) und Fabio Parra (Gesamtdritter 1988) trauen ihm übrigens den großen Coup zu. Und auch sie sagen: „Er muss Froome früh angreifen, also etwas tun, was man im heutigen Radsport nur noch selten sieht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Neuer Spekulatius von der

    Apothekenrundfahrt - hübsch - &

     

    Leibesübungen - ;))

    Pascht scho.

    • @Lowandorder:

      Rudern war immer unterbezahlt, gelle? ;) Ist es darum dopingfrei?