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Nahverkehr in Schleswig-HolsteinChaos mit Ansage

Seit Wochen fallen in Schleswig-Holstein vor allem Züge des Betreibers Erixx aus. Liegt es am hohen Krankenstand oder liegt der Fehler im System?

Kommt in Schleswig-Holstein oft unpünktlich oder gar nicht: Zug des Betreibers Erixx Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Rendsburg taz | Von Kiel nach Lübeck fahren Züge zurzeit nur im Zweistunden-Takt. Auch auf weiteren Strecken, die das Unternehmen Erixx Holstein betreibt, fallen ständig Bahnen aus. Immerhin hat Erixx nun einen Bus-Ersatzverkehr für die am stärksten frequentierten Strecken organisiert, darunter die Verbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes, Kiel und Lübeck. Mitte Dezember nahm Erixx Holstein den Betrieb auf (siehe Info), und von Anfang an gab es Probleme: Die „jahreszeit­typische Krankheitswelle“ habe die Belegschaft „fest im Griff“, teilte das Unternehmen mit. Inzwischen gehen die Krankenzahlen wieder zurück. „Wir hoffen, dass wir bald über den Berg sind“, sagt Unternehmenssprecherin Miriam Fehsenfeld. Dennoch will Erixx bis Anfang Februar mit dem ausgedünnten Fahrplan weiterfahren.

Für Niclas Dürbrook, Verkehrsexperte der SPD-Landtagsfraktion, hat das Chaos einen langen Vorlauf: „Schon im Sommer war abzusehen, dass Erixx es nicht schaffen kann“, sagt der Oppositionspolitiker. „Es saßen viel zu viel wenige Leute in den Lehrgängen.“ Als er und FDP-Kollege Bernd Buchholz das Thema im Verkehrsbeirat des Landes ansprachen, „wurde das von der Regierung weggewischt: Das sei normal bei einem Übergang von einem Betreiber zum anderen.“

Diese Wechsel sind gewünscht: Alle paar Jahre werden die Strecken im Land neu ausgeschrieben. Das soll den Wettbewerb stärken. „Ich verstehe den Gedanken dahinter, aber Wettbewerb an sich ist kein Wert“, sagt Dürbrook. „Zuverlässige Züge sind wichtiger als Wettbewerb. Wir dürfen nicht am falschen Ende sparen.“

Denn es geht um Geld, dafür sorgen EU-rechtliche Vorgaben: „Erixx hat die Ausschreibung gewonnen, weil das Unternehmen das wirtschaftlichste Angebot gemacht hat“, teilt Nah.SH mit. Der Landesbetrieb mit Sitz in Kiel ist zuständig für die Vergabe der Strecken und die Organisation des Bahnbetriebs.

Eine Mindestanzahl an Personal war nicht Teil der Ausschreibung. Laut Selbstbeschreibung wollte Erixx Holstein mit rund 100 Beschäftigten starten. Angebote erhielten auch die Fachkräfte von DB Regio, die die Strecke vorher betrieb.

Personalmangel oder Systemfehler?

„Aber meine Wahrnehmung ist, dass viele Beschäftigte bei DB Regio geblieben sind“, sagt Dürbrook. Das Geld spiele wohl nicht die größte Rolle, auch Erixx zahlt nach Tarif. Dennoch wechselten Beschäftigte offenbar lieber den Einsatzort als den Arbeitgeber – viele gingen bereits im Herbst, sodass auch es auch bei DB ­Regio zu Zugausfällen kam.

Dürbrook sieht die aktuellen Engpässe als Teil eines systemischen Problems und hat für die kommende Sitzung des Verkehrsausschusses einen Bericht der Landesregierung beantragt. Dem parteilosen Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen wirft er Tatenlosigkeit vor: „Er stand bisher eher beobachtend am Rand.“

Auch die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) beklagt schon lange, dass Personal fehlt. Für die aktuellen Probleme macht der Bezirksvorsitzende Hartmut Petersen nicht allein Erixx Holstein verantwortlich: „Die Politik wollte den Wettbewerb auf der Schiene. Und wir haben einen Aufgabenträger, der ist dafür verantwortlich, wer eine solche Dienstleistung ausführen darf.“ Damit sei Nah.SH verantwortlich, dass der Betriebsübergang vernünftig vonstatten gehe, sagte Petersen dem NDR.

„Nah.SH ist natürlich nicht zufrieden mit dem Start von Erixx und steht dazu im täglichen Austausch mit dem Unternehmen“, sagt Unternehmenssprecher Dennis Fiedel. Doch die Aufgabe, den Verkehr vertragsgemäß zu organisieren, liege beim Betreiber: „Erixx muss die Anlauf- und Personalprobleme in den Griff bekommen.“

Dabei steht Erixx nicht allein da, zeigt eine Recherche des Internet-Newsportals „Nahverkehr Hamburg“, das sich auf den ÖPNV im Norden spezialisiert hat. Demnach fielen bereits im Juni täglich 41 Züge in Schleswig-Holstein aus, „meist, weil nicht genug Personal da war“. Aktuell leiden viele Unternehmen landes- und bundesweit unter der Krankheitswelle, teilt NAH.SH mit. Denn bei aller Kritik an Erixx: „Wir springen zu kurz, wenn wir nicht wahrnehmen, dass hier die ganze Branche ein Problem zu lösen hat: Es fehlt qualifiziertes Personal.“

Dürbrook wünscht sich einen Hebel, um mehr Druck auf Unternehmen auszuüben zu können, etwa durch Strafzahlungen. Zwar erhalten Unternehmen weniger Geld von Nah.SH, wenn Züge ausfallen, aber eine echte Strafe sei das noch nicht, sagt Dürbrook. Gäbe es einen entsprechenden Mechanismus, würden sich vielleicht weniger Unternehmen an den Ausschreibungen beteiligen. Denn die aktuelle Lage habe fatale Folgen: „Ich erlebe im Bekanntenkreis, dass Leute sich wieder ein Auto anschaffen. Die werden nicht so schnell zur Bahn zurückkehren.“

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1 Kommentar

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  • Das Ausschreiben bringt Probleme ?



    These 1: das Ausschreiben an sich IST das Problem. Beobachtung: bundesweit schafft es einzig die DB, neu eroberte Netze aus dem Stand heraus fast fehlerfrei zu betreiben (siehe das muntere Streckentauschen in Berlin-Brandenburg).



    These 2: das Ausschreiben an sich IST das Problem. Die Angebote werden so billig, dass hinterher den Betreibern das Geld nicht reicht. NRW wie BaWü und ein gewisses Tochterunternehmen der Staatsbahn eines gewissen Nachbarstaates sind hier nur das jüngste und leuchtende Vorbild.



    These 3: das Ausschreiben an sich IST das Problem. Zwar wird mittlerweile mehr und Spezifischeres verlangt seitens der Bestellerinnen, ob Landesverkehrsgesellschaften oder Verbünde, aber dass jetz alle Wägelchen schön hübsch in Landesfarben (BaWü, Süwex) oder in Produktfarben (RRX in NRW) rumfahren sollen statt im CD der jeweiligen Bahngesellschaft, das is halt den Fahrgästen doch reichlich egal. Wichtiger wäre vielleicht, dass die Sitzabstände stimmen (Mittelrheinbahn jahrelang worse than Ryanair...), dass die Besteller auch nachträglich das Abstellen von Unfug einfordern können, auch wenn's in der Ausschreibung nicht spezifiziert war, dass nach der begrüßenswerten ÖPNV-Tendenz zu großen Fenstern und viel Licht die Fenster jetz nicht mit Werbung zugeklebt oder plötzlich auf putziges TGV-Format verkleinert werden (neue Siemens-Generation Mireo, wer steht, sieht nix), dass bisherige Schiebetritt-S-Bahnen nicht plötztlich mit alten RB-Modellen ohne Schiebetritt gemischt werden, sodass Rolli und Rollatorin netzweit auf allen Linien keine Ahnung mehr haben, ob sie in die nächste Bahn auch reinkommen oder nicht (S-Bahn Rhein-Neckar).

    Tarifdschungel gehört auch abgeholzt, auch wenn damit die langzeithochgelobte Regionalisierung über Verbünde bald der Vergangenheit angehören dürfte. Die meisten bislang zukunftsfähig erscheinenden Verbünde umfassen eh schon so viele Landkreise, dass keiner bei sich zu Haus mehr viel zu sagen hat.