Nachwehen des Brexit: Der Felsen des Anstoßes
Die unbewohnte Insel Rockall im Nordatlantik wird nach dem Brexit zum Zankapfel. Gehört sie samt ihren Fischen zu Großbritannien? Oder zu Irland?
Der pyramidenförmige Felsen, Rumpf eines erloschenen Vulkans, ist keine 800 Quadratmeter groß, er ragt 17 Meter aus dem Wasser und ist unbewohnbar. 1955 ließen sich drei britische Marinesoldaten und ein Wissenschaftler von einem Hubschrauber auf dem Felsen absetzen, um den Union Jack zu hissen und eine Bronzetafel anzubringen, auf der das Ereignis gewürdigt wurde.
Dann sprach Korvettenkapitän Desmond Scott die Worte: „Im Namen Ihrer Majestät Königin Elisabeth II. nehme ich hiermit die Insel Rockall in Besitz.“ 1972 wurde Rockall der rund 500 Kilometer entfernten schottischen Grafschaft Inverness-shire angegliedert.
Die UNO machten den Briten 1982 einen Strich durch die Rechnung. Laut UN-Seerechtsübereinkommen, das auch Großbritannien unterzeichnet hat, dürfe „ein Felsen, der nicht von Menschen bewohnt werden kann und auf dem keine wirtschaftlichen Aktivitäten möglich sind, keine exklusive Wirtschaftszone haben“.
100 Milliarden Euro wert
Allerdings dürfen Küstenstaaten ihren Anspruch auf den Meeresboden bis zu 350 Meilen vor der Küste bei den UN registrieren lassen. Das tat die britische Regierung 2009, wobei sie die Inselgruppe St. Kilda, die bis 1930 bewohnt war, als Referenzpunkt angab. Damals ging es London vor allem darum, zu verhindern, dass die Sowjetunion vom Nordatlantik aus britische Atomtests ausspioniert.
Heutzutage, so schätzen Experten, könnte der Felsen mindestens 100 Milliarden Euro wert sein. Es geht nicht nur um die dortigen Fischereirechte, die für die Fischer im Nordwesten Irlands wichtig sind. Das Meer um Rockall birgt große Öl- und Gasvorkommen, die bisher nicht ausgebeutet wurden. Greenpeace hielt Rockall 1997 deswegen für 42 Tage besetzt.
Aus irischer Sicht haben die Iren ältere Rechte an dem Felsen. Der irische Mönch St. Brendan entdeckte Rockall bereits im 7. Jahrhundert auf seiner Reise nach Amerika und beschrieb es exakt. Dennoch sagte 2020 der damalige irische Premierminister Leo Varadkar: „Wir erheben keinen Anspruch auf Rockall. Wir akzeptieren aber auch keinen Anspruch eines anderen Staates.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball