Nachtzug von Stockholm nach Berlin: Coq au vin in einer Stunde
Von der schwedischen in die deutsche Hauptstadt gibt es gleich zwei Nachtzugverbindungen. Trotzdem muss man früh reservieren – selbst im Speisewagen.

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Angebote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden. Alle vorherigen Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.
Im Jahr 2023 hinzugekommen ist die Variante der schwedischen Staatsbahn SJ, schon etwas länger am Markt ist die schwedische Privatbahn Snälltåget, die von Ende März bis Anfang November unterwegs ist (und samstags nie). Dass ich für meine Fahrt von Stockholm nach Berlin Snälltåget gebucht habe, war Zufall – ich hatte nicht realisiert, dass es zwei Anbieter gibt.
Wir reisen zu zweit. Unser Zug rollt an einem Sonntagnachmittag, 20 Minuten vor Abfahrt, in den Stockholmer Hauptbahnhof. Nur die beiden hinteren Wagen sind Liegewagen, und sie sind so alt, dass man die Fenster auf dem Flur öffnen kann. Die Sitze im Abteil sind blau gepolstert, sechs Wasserflaschen stehen bereit. Dort, wo sich sonst der kleine Klappmülleimer befindet, sind sechs USB-Aufladestellen. Sie funktionieren, aber es gibt keine normale Steckdose im Abteil und keinen Mülleimer, beides findet sich nur am Ende des Wagens.
Bucht man einen Einzelplatz in einem 6er-Abteil, ist man schon für 65 Euro pro Fahrt dabei. Ein gesamtes Abteil für eine Person kostet satte 250 Euro. Zu zweit sind es 370 – gebongt, wir erkaufen uns Privatsphäre. Die Tickets sollte man rechtzeitig erwerben, die Liegewagenplätze sind oft lange im Voraus ausgebucht.
Mehr Liegewagen ab Malmö
Auch im Speisewagen – er nennt sich Krogen – reserviert man vorher, Ein-Stunden-Slots. Wer das, wie ich, erst kurz vor der Abfahrt macht, kriegt nur noch den um 17 Uhr. Alle Tische sind reserviert. Die Einrichtung ist mit dunklem Holz, petrolfarbenen Polstern und kleinen Tischlampen im schönsten Retrostil gehalten. Auf der Speisekarte steht neben dem Preis die CO2-Bilanz der Hauptgerichte. Mein Coq au Vin für 0,6 Kilogramm CO2 und 12 Euro ist sehr lecker, allerdings nicht übertrieben umfangreich. Alkohol gibt es zu schwedischen Preisen (Bier 8 Euro, Wein mehr).
Wer keinen Slot ergattert hat, kann weder warme Speisen noch Alkohol to go kaufen, aber dafür zahlreiche Snacks. Allerdings nur bis 21 Uhr, denn in Malmö verlassen uns der Krogen und auch einige andere Sitzwaggons, dafür kriegen wir zwei neue Schlafwagen angehängt. Rund eine Stunde dauert das Manöver, dann geht es über die Öresundbrücke Richtung Dänemark, Richtung Nacht.
Unser Schlaf ist tief, vom 6-Uhr-Halt in Hamburg bekommen wir nichts mit und erwachen erst, als die uns vertraute Brandenburger Agrarlandschaft am Fenster vorüberzieht.
In Gegenrichtung geht es von Berlin übrigens um 21 Uhr los, dafür ist man erst am frühen Nachmittag in Stockholm – die unterschiedlichen Abfahrtszeiten stellen sicher, dass alle schwedischen Haltestellen zu sinnvollen Zeiten angefahren werden. Das Loch der Nacht liegt stets zwischen Kopenhagen und Hamburg.
Bei der Konkurrenz von SJ fährt man in Berlin schon um halb sieben los und ist bereits vormittags in Stockholm, in Gegenrichtung sind die Fahrtzeiten annähernd die gleichen. Sollte diese Doppelbelegung dauerhaft funktionieren, wäre das ein starkes Zeichen für den europäischen Nachtzugverkehr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau