Nachtzug von Hamburg nach Stockholm: Mit einem betagten Zug nach Schweden
Im Nachtzug von Hamburg nach Stockholm gibt es am Morgen großes Fensterkino – und das Bordbistro bietet Reisenden leckeren kostenlosen Kaffee an.

Der Zug ist schon etwas in die Jahre gekommen. Das erzählen der filzige Teppich, die Fenster, die sich schwergängig bis auf Brusthöhe herunterschieben lassen, und die wackligen Wagenübergänge, bei denen zwei Metallplatten scheinbar lose ineinandergreifen. Im Abteil stapeln wir unsere Reisetaschen. Wir beziehen kletternd drei der insgesamt sechs Betten, falten umständlich die weißen Laken um und über die Wolldecken, freuen uns über bereitgestelltes Wasser in Tetrapacks, ziehen die Vorhänge zu und machen uns lang. Wer nachts jemanden zum Reden brauche, vermeldet eine freundliche Männerstimme auf Schwedisch und Deutsch über die Lautsprecher, vom Service sei immer jemand ansprechbar. Und, fügt die Stimme hinzu, man möge die Reisepässe bereithalten.
Der Zug ruckelt und schaukelt mich bald in dämmrigen Schlaf. Irgendwann – ist es eins oder halb zwei? Es muss die Grenze zu Dänemark sein – bleibt der Zug stehen. „Passports please“, dröhnt eine Männerstimme, Türen werden aufgeschoben, Dokumente kontrolliert. Zum Glück wiegt mich das Ruckeln schnell wieder in wohligen Schlaf.
Am sonnigen nächsten Morgen dann großes Fensterkino: Seen, die sich in undurchdringlichen Wäldern verlieren, die ganz bestimmt voller Blaubeeren sind, voller Füchse und Elche. Später stehen ein paar Birken auf Anhöhen, gefolgt von kleinen Gehöften und Sägewerken, dazwischen sind rote Holzhäuser zu sehen. Blau-weiß bläht sich der Himmel über das satte Grün dieser friedlichen Landschaft, die kaum besiedelt scheint.
Empfohlener externer Inhalt
Zimtschnecken in Schweden
Im Zugbistro, das ab 8 Uhr geöffnet ist, besorge ich für 136 Schwedische Kronen (circa 12 Euro) einen doppelten Wrap mit Pulled Porc und Blaubeer-Milkshakes für meine dauerhungrigen Teenager; für mich einen Kaffee, der schmeckt und sogar umsonst ist.
Etliche Sommerwiesen später und über den glitzernden Mälarsee hinweg erreichen wir Stockholm mit einer knappen Stunde Verspätung um kurz vor 11 Uhr. Versehentlich verlassen wir den Bahnhof über den Hinterausgang. So begegnen wir Schwedens hübscher Hauptstadt auf der B-Seite. Doch auch hier erzählen Schwed*innen mit blumigen Haarkränzen vom nahenden Midsommarfest, tragen Ikea-Taschen spazieren und verzehren wahlweise Hotdogs oder Zimtschnecken.
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