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Nachtzug von Hamburg nach StockholmMit einem betagten Zug nach Schweden

Im Nachtzug von Hamburg nach Stockholm gibt es am Morgen großes Fensterkino – und das Bordbistro bietet Reisenden leckeren kostenlosen Kaffee an.

Eisenbahnromantik von der Hansestadt über den Öresund bis nach Stockholm Foto: Eibner-Pressefoto/imago

Hamburg taz | Es ist Juni, zwei Tage vor der Sommersonnenwende. Wir stehen am Hamburger Hauptbahnhof. Um 22.03 Uhr geht unser Zug, der SJ Euronight, nach Stockholm. Dort wollen wir Midsommar feiern. Auf der Hinfahrt haben wir ein ganzes Abteil für uns allein. Beim Zugbetreiber Statens Järnvägar kostet ein Liegewagenplatz ab 120 Euro pro Person, erstattbare Flex-Tickets sind 100 Euro teurer. Natürlich ist die Strecke in den Sommer- und Ferienmonaten teurer – und deshalb stets schnell ausgebucht. So ist es auch auf unserer Rückfahrt nur wenige Tage später. Entsprechend verbringen wir diese schlafsitzend in einem Sechserabteil; bei Ticketpreisen von circa 70 Euro pro Person.

Der Zug ist schon etwas in die Jahre gekommen. Das erzählen der filzige Teppich, die Fenster, die sich schwergängig bis auf Brusthöhe herunterschieben lassen, und die wackligen Wagenübergänge, bei denen zwei Metallplatten scheinbar lose ineinandergreifen. Im Abteil stapeln wir unsere Reisetaschen. Wir beziehen kletternd drei der insgesamt sechs Betten, falten umständlich die weißen Laken um und über die Wolldecken, freuen uns über bereitgestelltes Wasser in Tetrapacks, ziehen die Vorhänge zu und machen uns lang. Wer nachts jemanden zum Reden brauche, vermeldet eine freundliche Männerstimme auf Schwedisch und Deutsch über die Lautsprecher, vom Service sei immer jemand ansprechbar. Und, fügt die Stimme hinzu, man möge die Reisepässe bereithalten.

Der Zug ruckelt und schaukelt mich bald in dämmrigen Schlaf. Irgendwann – ist es eins oder halb zwei? Es muss die Grenze zu Dänemark sein – bleibt der Zug stehen. „Passports please“, dröhnt eine Männerstimme, Türen werden aufgeschoben, Dokumente kontrolliert. Zum Glück wiegt mich das Ruckeln schnell wieder in wohligen Schlaf.

Am sonnigen nächsten Morgen dann großes Fensterkino: Seen, die sich in undurchdringlichen Wäldern verlieren, die ganz bestimmt voller Blaubeeren sind, voller Füchse und Elche. Später stehen ein paar Birken auf Anhöhen, gefolgt von kleinen Gehöften und Sägewerken, dazwischen sind rote Holzhäuser zu sehen. Blau-weiß bläht sich der Himmel über das satte Grün dieser friedlichen Landschaft, die kaum besiedelt scheint.

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Zimtschnecken in Schweden

Im Zugbistro, das ab 8 Uhr geöffnet ist, besorge ich für 136 Schwedische Kronen (circa 12 Euro) einen doppelten Wrap mit Pulled Porc und Blaubeer-Milkshakes für meine dauerhungrigen Teenager; für mich einen Kaffee, der schmeckt und sogar umsonst ist.

Etliche Sommerwiesen später und über den glitzernden Mälarsee hinweg erreichen wir Stockholm mit einer knappen Stunde Verspätung um kurz vor 11 Uhr. Versehentlich verlassen wir den Bahnhof über den Hinterausgang. So begegnen wir Schwedens hübscher Hauptstadt auf der B-Seite. Doch auch hier erzählen Schwe­d*in­nen mit blumigen Haarkränzen vom nahenden Midsommarfest, tragen Ikea-Taschen spazieren und verzehren wahlweise Hotdogs oder Zimtschnecken.

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