Nachruf auf Volker Kühn: Es kommt nichts weg
Der Regisseur, Kabarettist und literarische Archäologe arbeitete mit Wolfgang Neuss und Lore Lorentz. Jetzt ist er, 81-jährig, gestorben.
Abschiedsgedanken zum Tod des Kabarett Historikers und Autors Volker Kühn:
In den frühen 80er Jahren wurde ich als freier Schreiber für die taz von der dort tätigen Reneé Zucker gefördert. Bald fühlte sich die TAZ durch mich „überfordert“. Ein linksdenkender Ex-TV-Showmaster? Das passte nicht ins alternative Weltbild. Manche hielten meinen mit der Disco-Show verbundenen Namen für das mögliche Pseudonym eines linken Spaßvogels der schreibenden Gilde. Links und Entertainment? In Frankreich oder England, Amerika, nichts Besonderes!
Der über meine Biographie bestens Bescheid wissende Volker Kühn, schmunzelte – rauchte – und gab mir immer wieder Arbeit! Die bei der taz entwickelte sich recht bald eher zu der eines Reporters in die Vergangenheit. Reflektionen über Kabarett und Literatur der 20er/30er Jahre durften es sein; da fragte ich natürlich auch immer wieder bei Volker nach; zwecks historischer Recherche. Die Weimarer Zeit und ihre Folgen waren ja sein Spezialgebiet.
Aber auch besagte Reports in die Vergangenheit fransten allmählich aus und reduzierten sich bald für mich auf ein paar Nachrufe über Männer wie Hans Rosenthal; emotional mir durchaus nah – politisch eher befremdlich; weil Hans als Holocaust-Entkommener auch mir ein bißchen zu „nett-King-Kohl“ gegenüber erschien. Also erschien Iljas Nachruf und ich schaffte den Balance-Akt mit LINKS... Lass das mal den Richter machen!
Wenn ich heute – nach cirka 32 Jahren – mit nunmehr 62 – freiwillig dieses gleich folgende Grabgedicht gerade der taz anbiete, dann ist das, wie fast immer in meinem Leben, heitere Absicht in ernster Sache. Worte für und über einen, der mir immer das anbot, was ich von Herzen auch dem Publikum bieten konnte; Erinnerungsprogrammen für die Akademie der Künste, Chanson – Programme oder CD‘s.
Auch zweisam verfasste Schmerz-Artikel über Brüder im Geiste wie Wolfgang Neuss (,der es sich gewünscht hatte, dass Volker und ich uns anfreunden mögen.) Aus dem Mögen wurde eine jahrzehntewährende Freundschaft. Am schmerzvollsten war mein Freundschaftsdienst, als ich immer wieder mal „Kabarett aus Theresienstadt“ mit seiner Katherina Lange und Judy Winters zum Besten geben sollte. So schlecht war mir noch nie, wie da Pointen Todgeweihter locker vorgetragen werden mußten. Lachenmachen kurz vor der Rampe... Demzufolge hier mein Abschiedsgedicht:
Des Volkers Stimme
nahm sich jener an,
die durch den Schornstein gingen.
Jene Unbekanntgewordnen
hatten es ihm angetan; denn:
Volker hörte die Signale!
Verschlossen
ruht die Stimme nun
im Arsenale,
Nun – Volker – bist Du unsichtbar;
der Du so viele wieder
sichtbar machtest.
Du bist für uns ein
dank vieler Lieder
unbekannt gebliebner Star!
Und Dein Gepäck?
Behüten wir.
So sei‘s !
Wie sagte Wolfgang Neuss;
„Es kommt nichts weg...“
Volker Kühn ist am 20. September 2015 im Alter von 81 Jahren gestorben. Die Beerdigung findet am 13. Oktober in Berlin statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau