Nachruf auf Titos Witwe: Das letzte Symbol Jugoslawiens

Jovanka Broz, Witwe des Marschalls Tito, ist am Sonntag im Alter von 89 Jahren in Belgrad gestorben. Jetzt wird gestritten, wo sie beerdigt werden soll.

1995: Jovanca Broz legt Blumen am Grab ihres Mannes in Belgrad nieder. Bild: reuters

BELGRAD taz | Als Ehefrau von Josip Broz Tito war sie ein Symbol Jugoslawiens. 33 Jahre nach dem Tod des jugoslawischen Marschalls, 22 Jahre nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik, ist Jovanka Broz (89) am Sonntag auf der Intensivstation eines Belgrader Krankenhauses gestorben.

So umstritten ihre Beziehung zu Tito in den letzten Jahren seiner Herrschaft war, so umstritten ist nun auch, ob sie neben ihm bestattet werden soll – im so genannten „Blumenhaus“ (Kuca cveca), dem Pilgerort der Jugo-Nostalgiker, einer der touristischen Sehenswürdigkeiten Belgrads.

Jovanka Broz hatte keine Kinder. Jahrzehnte lang lebte sie isoliert von einer bescheidenen Rente in einer verfallenen Villa im Belgrader Nobelbezirk Dedinje. Selbst Titos persönliches Eigentum war nach dem Fall des Kommunismus größtenteils nationalisiert worden.

Erst in den vergangenen Monaten sorgte sie für heftige Aufregung, als sie gegenüber der Boulevardpresse „die Seele öffnete“ über die politischen Intrigen, die sie angeblich von Tito entfernten. Sie sprach über die internen Kämpfe um Titos politisches Erbe, wie ihn angeblich der Chef des jugoslawischen Sicherheitsdienstes mit der Pistole in der Hand unter Druck setzte, wie sie ihren Mann beschützen wollte, und deshalb gezwungen wurde in ein anderes Haus umzuziehen.

So manche Zeitzeugen bezeichneten die „Beichte“ von Titos Witwe als „unglaubwürdig“, gar als „paranoid“. Man konnte über unzählige Interpretationen des Machtkampfes um den veralteten Tito lesen, in dessen Mittelpunkt angeblich Jovanka stand. Es war aber auch zu erfahren, dass sie den greisen Tito einfach nervte, weil sie versucht hatte, sich in alles Mögliche einzumischen und er deshalb die letzten Jahre seines Lebens getrennt von ihr lebte.

„Sensationslüsterner Mißbrauch“ einer alten Frau

Ebenso wie die Aussagen von Jovanka Broz in Serbien löste auch der „sensationslüsterne Missbrauch“ einer alten, kranken Frau einige Monate vor ihrem Tod heftige Diskussionen in allen ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens aus.

Tito hatte die junge Serbin aus der kroatischen Provinz Lika – vorher Jungkommunistin und Partisanenkämpferin der ersten Stunde – 1952 geheiratet. Im Unterschied zu den Sitten osteuropäischer Führungspolitiker erschien Jovanka in der Öffentlichekeit in der Rolle der ersten Dame, womit Tito einen weiteren Bruch mit stalinistischen Gepflogenheiten demonstrierte.

Wegen ihres charmanten Benehmens auf interntionalem Parkett bezeichnete man sie auch als „Jugolächeln“ („Jugoosmeh“). Um ihre praktische, doch nie formal vollzogene, Scheidung von Tito Mitte der siebziger Jahre, ranken sich Legenden und ersichtliche Unwahrheiten. Zeitzeugen und Historiker sind sich uneinig darüber, wie groß ihr politischer Einfluss auf Tito war, beziehungsweise, ob sie ihn überhaupt hatte.

Ihre dreißigjährige, teils selbstgewählte Einsamkeit in Belgrad nach Titos Tod ist umhüllt von Geheimnissen. Sicher ist jedoch, dass mit dem Tod der „Genossin Jovanka“ die jugoslawische Epoche auch symbolisch beendet ist.

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